Kolumnen von Benedikt Weibel

Kommunikation allein reicht nicht gegen 1:12

"Persönlich" 1. Juli 2013

Der Grundsatz gilt immer. Zuerst kommt der Inhalt, dann die Kommunikation. Die Abzocker-Initiative wäre selbst mit einer perfekten Kampagne nicht zu gewinnen gewesen. Gemäss Vox-Analyse wurde die Initiative von breiten Bevölkerungsschichten getragen. Selbst die Besserverdienenden haben ihr zugestimmt. 72 Prozent der SVP-Anhänger und 86 Prozent der SP-Sympathisanten waren für die Initiative. Dabei spielte der Inhalt der Initiative, die Verstärkung der Aktionärsrechte, kaum eine Rolle. Den Abstimmenden ging es primär um ein Signal gegen überrissene Managergehälter und Boni. Nur gerade 7 Prozent sind der Meinung, die Gehälter der Manager seien leistungsgerecht. Weit mehr als die Hälfte, nämlich 62 Prozent, sprechen sich für eine Lohnobergrenze aus. Trotzdem sind zwei Drittel der Meinung, man sollte private Unternehmungen nicht zu stark regulieren. Was für kommende Abstimmungen besonders wichtig ist: das Argument, dass die Initiative Arbeitsplätze gefährde, hat nicht überzeugt.

Bei der Abzocker-Initiative konnte man relativ locker ein ja in die Urne legen. Dass die Verstärkung der Aktionärsrechte nicht viel verändern würde, war offensichtlich. Bei der 1:12 Initiative geht es nun um eine ganz andere Dimension. Durch eine derart rigide Massnahme würde nicht nur die Vertragsfreiheit massiv eingeschränkt, sondern das eigentliche Fundament unserer liberalen Wirtschaftsordnung untergraben. Eigentlich müsste der Blick ins umliegende Europa genügen, um sich nicht auf ein so gewagtes Experiment einzulassen. Wenn selbst Daniel Binswanger im „Magazin“ schreibt, dass „ein derart drastischer Alleingang den Todesstoss für den Schweizer Standort“ bedeuten würde, müssen alle Alarmglocken läuten.

Die Wirtschaftsverbände tun gut daran, sich grundsätzliche Gedanken über die Kampagne gegen die 1:12 Initiative zu machen. Wer, wie die NZZ, das wirkliche Problem negiert und tief in das klassenkämpferische Vokabular greift, hat nichts begriffen. Es geht nicht um eine Neiddebatte, sondern um ein tief sitzendes Malaise. Man höre sich nur einmal bei KMU’s den Ärger über überrissene Saläre an. Mit einer „ordnungspolitischen“ Debatte allein lässt sich jedenfalls das Unheil nicht abwenden. Wenn selbst der Präsident von Economiesuisse zum Schluss kommt, dass Gehälter ab einer gewissen Grösse nicht zu rechtfertigen sind, muss gehandelt und nicht nur kommuniziert werden. Wenn diese Initiative abgewehrt werden will, müssen die Wirtschaftsverbände über ihren Schatten springen und sich für eine Selbstbeschränkung von Gehältern im Top-Management stark machen.

Ungemach droht auch durch die Mindestlohn-Initiative. 20 EU-Länder haben einen Mindestlohn eingeführt. Ein Blick in ihre Arbeitslosenstatistik demonstriert die Wirkungslosigkeit des Instruments. In Deutschland fordern die Sozialdemokraten einen Mindestlohn von achteinhalb Euro die Stunde. Ihre Genossen in der Schweiz mehr als das Doppelte. Was sie nicht daran hindert, sich gleichzeitig bitter über die Preisinsel Schweiz zu beklagen.

Benedikt Weibel