Kolumnen von Benedikt Weibel

Profis und Spontis

"Persönlich" 1. März 2013

Es gibt zwei Taktiken, um in ein Interview, einen Talk oder eine Diskussionsrunde einzusteigen. Entweder man bereitet sich minutiös auf alle Eventualitäten vor oder man vertraut auf seine Kompetenz und Schlagfertigkeit.

Der ersten Methode vertraut Charlotte Roche, Autorin eher schlüpfriger Bestseller. "Ich war der ideale Gast. Das grösste, was ich in meiner Karriere gemacht habe, waren meine Auftritte bei Harald Schmidt. Ich vergöttere ihn ja und habe immer totale Angst, bei ihm zu versagen. Darum bereite ich mich tagelang auf einen solchen Auftritt vor. Ich weiss, ich brauche für einen Auftritt drei vier Geschichten. Ich brauche zwei Gags pro Minute. Das ist eine Wahnsinnskopfarbeit, das vorher zu überlegen. Hinterher muss das natürlich spontan wirken, und alle Leute müssen denken, die Roche war bestimmt betrunken. Aber spontan ist da nichts."

Peer Steinbrück hat vor nichts und niemandem Angst. Er hat den totalen Durchblick. Einer, der so gut ist, hat es nicht nötig, sich intensiv vorzubereiten. Denn er ist beeindruckend schlagfertig und hat die seltene Gabe, aus dem Stegreif wunderbar provokante Sprachbilder zu produzieren. Mit Peitsche und Kavallerie hat er die ganze Schweiz empört. Wer so selbstsicher ist, lässt sich ungern einbinden. Deshalb reklamiert Steinbrück bei seinen Genossen Beinfreiheit. Mit Erstaunen stellt man nun fest, wie sich der Kandidat von einer Panne zur anderen hangelt. "Immer auf der Suche nach Fettnäpfchen und Porzellanläden – stets fündig".

Das ist doch verwunderlich. Die Dame, der wir kaum staatsmännisches Format zubilligen, gibt ein Beispiel von professioneller Vorbereitung. Klar, sie will ihr Produkt so gut wie möglich verkaufen. Der Kanzlerkandidat einer Weltmacht hingegen wirkt wie ein Dilettant. Für Publikum und Medien ist das zwar unterhaltend. Peer Steinbrück macht dies zu seiner Marke: "ich verbiege mich nicht", wiederholt er trotzig. Frägt sich nur, ob die Stimmbürger Staatsmänner wählen, die vor lauter Spontaneität eine Peinlichkeit an die andere reihen.

Präsident Obama ist ein Überkommunikator. Im ersten Fernsehduell gegen seinen Herausforderer Mitt Romney wirkte er seltsam fahrig und matt. Trotz präsidialem Bonus hat er das Duell klar verloren. Offensichtlich war seine Vorbereitung mangelhaft. Im Gegensatz zum Kanzlerkandidaten hat er aus seinem Fehler gelernt und sich auf das zweite Duell perfekt vorbereitet – und sich durchgesetzt.

Die wichtigste Personalie Deutschlands ist zurzeit allerdings nicht der Kanzlerkandidat. Pep Guardiola kommt zu Bayern München. Das sei, als käme ein Hollywood-Star zu Besuch aufs Dorffest, meint der "Spiegel". Als Trainer von Barça hat Guardiola einmal gesagt, 95 Prozent der Aktionen auf dem Spielfeld seien geplant. Für Improvisation blieben gerade noch fünf Prozent übrig und dafür sei Messi verantwortlich. Wer sich bei seiner Vorbereitung für einen wichtigen Anlass an diese Relation hält, ist auf der guten Seite.

Benedikt Weibel