Kolumnen von Benedikt Weibel
Chairman oder CEO?
"Persönlich" 1. Mai 2013
Es klingt wie eine Warnung. "Ich werde ein aktiver Verwaltungsratspräsident sein!" Es ist eine Warnung. Sie sagt dem CEO "ich werde die Dinge in die Hand nehmen." Es ist ein Statement, das abgrenzt von den nicht-exekutiven Verwaltungsratspräsidenten. Es ist eine Demonstration des weltweit einzigartigen Spielraums in der Rollendefinition eines Verwaltungsratspräsidenten in unserem Land. Deshalb übrigens wird diese Funktion nirgendwo sonst so fürstlich bezahlt.
Diese maximale Unschärfe verdanken wir Artikel 716 OR. Der Verwaltungsrat ist verantwortlich für die Oberleitung der Gesellschaft. Daraus kann man ableiten, dass daneben eine Leitung tout court existiert. Das OR gibt dem Verwaltungsrat die Kompetenz, die Geschäftsführung zu übertragen. Der Präsident des Verwaltungsrates, der sich je nach Temperament Prärogative zuschanzt, existiert im OR nicht. Ein Aufsichtsrat in Deutschland oder Österreich hat wesentlich weniger Kompetenzen. Seine wichtigste Aufgabe ist die Wahl des Vorstandes und dessen Vorsitzenden. Er schaut dem Vorstand auf die Finger, unterstützt ihn und greift ein, wenn es notwendig ist.
Unklare Verantwortung ist eine organisatorische Todsünde. OR 716 führt zu einem inhärenten Konflikt. Dieser entzündet sich im Verhältnis zwischen Präsident und CEO sowie in der Strategiefrage. Kürzlich hat der Verwaltungsratspräsident einer börsenkotierten Schweizer Firma mit entwaffnender Offenheit erklärt, sein Verwaltungsrat sei gar nicht in der Lage, die Strategieentwicklung selber zu betreiben. Die Branchenkenntnisse seien in der Geschäftsleitung konzentriert. Die Geschäftsleitung habe den Strategieprozess zu führen und die Strategie, allenfalls in Varianten, dem Verwaltungsrat zur Genehmigung zu unterbreiten.
Der Skiverband hat einen aktiven Präsidenten. Dessen sportliches Palmarès und seine Sachkompetenz liessen ihn als ideale Besetzung erscheinen. Den einen oder anderen Interessenkonflikt nahm man achselzuckend hin. Man hätte kaum zur Kenntnis genommen, dass er seine Direktoren reihenweise verbrannte, wenn die sportlichen Resultate gestimmt hätten. Das sportliche Desaster hat nun zu einer öffentlichen Diskussion über die Rolle des Präsidenten geführt. Ein Kommentator meinte zwar, es sei heute trotz allem viel besser als früher. Da hätten sich Politiker als Präsidenten im Glanz der Erfolge gesonnt. Deren substanziellste Beiträge seien Grussworte an gesellschaftlichen Veranstaltungen gewesen. Es waren allerdings nicht immer Politiker. Während der goldenen Tag von Sapporo war ein Korpskommandant Präsident des Skiverbandes und ein junger Kandersteger Direktor. Wenn Erfolg der Massstab ist, dann war in den letzten 40 Jahren jede Konstellation besser als die heutige.
Die Angelsachsen haben ein simples Rezept, um den Konflikt zu vermeiden: "The Chairman runs the board. The CEO runs the company. "Übrigens: ein Direktor des Skiverbandes ist Bundesrat geworden, nicht ein Präsident.
Benedikt Weibel