Kolumnen von Benedikt Weibel

Warum einfach, wenn es kompliziert auch geht?

"Persönlich" 1. Dezember 2012

Steve Jobs hatte eine Vision. Er wollte einen Computer entwickeln, so schön wie ein gut designtes Küchengerät und so einfach zu bedienen wie ein Schweizer Sackmesser. Geräte von Apple vereinigen Funktionalität und Ästhetik. Das oberste Prinzip von Apple ist Einfachheit und die Geräte von Apple sind auch tatsächlich einfach zu bedienen. Damit ist man zur wertvollsten Firma der Welt geworden.

Zum Trendsetter ist Apple trotzdem nicht geworden. Gebrauchsanleitungen waren schon immer ein Ärgernis. Seit dem exponentiellen Wachstum der Elektronik wird es immer schlimmer. Hoteldesigner kreieren neue Lichtwelten. Beim Frühstück dreht sich die Diskussion dann darum, ob und wie man das Licht vor dem Einschlafen löschen konnte. Abgesehen davon, dass den Lichtdesignern immer noch nicht aufgefallen ist, dass die Leselampe die Schwachstelle eines praktisch jeden Hotelzimmers ist.

Jedes neues Auto unterscheidet sich von seinem Vorgänger durch noch mehr Elektronik. Selbst die gleichen Marken bringen es fertig, die verwirrende Anordnung von Tastaturen bei einem Modellwechsel zu verändern und nochmals zu komplizieren. Ein normal begabter Zeitgenosse kann denn auch nur einen Bruchteil der vorhandenen Möglichkeiten wirklich nutzen.

Früher kaufte man ein Bügelbrett und ein Bügeleisen. Nun gibt es integrierte Kleiderpflegesysteme. Wenn ein solches Ding endlich an seinem Platz steht, haben Sie das erste grosse Hindernis überwunden. Das System ist so schwer, dass es nur auf Rollen verschoben werden kann. Wer sich durch die Gebrauchsanleitung durchgekämpft hat, erfreut sich der neuen Funktionalitäten, bis es zum ersten Systemausfall kommt. Wenn Sie Glück haben, hilft Ihnen Ihr altes Bügeleisen über die Runden.

Neulich stand ich vor einem brandneuen Kochherd einer Edelmarke. Grosszügige Kochplatte, Induktion, perfektes Design und etwas, was ich noch nie gesehen hatte: ein runder, beweglicher Metallknopf mit eine Magnet, schön anzuschauen, aber in seiner Funktionalität mir schleierhaft. Meine Absicht, Wasser zu kochen, erwies sich als nicht umsetzbar. Wie ich den Knopf auch drehte und wendete, ich kriegte keine Hitze unter die Pfanne. Nach langem Suchen fand ich eine Gebrauchsanleitung und begriff endlich, dass man den Knopf auf das Kochplattensymbol bewegen muss, dann wieder zurück ins Zentrum, dann drehen und die Hitze einstellen. Im Zeitalter von hoch entwickelter Elektronik und perfektem Design ist es gelungen, das Kochen von Wasser zur Denksportaufgabe zu mutieren.

'Simplicity ist the ultimate sophistification' war das Leitmotiv von Steve Jobs. 'Apple hatte auf einen Schlag die Beziehung zu technischen Produkten neu definiert. Microsoft dagegen musst von vorn anfangen' schrieb der 'Spiegel' zu den neuen Microsoft- Produkten Windows 8 und Surface. Microsoft hat es immerhin gemerkt. Das Leben würde einfacher, wenn auch andere Anbieter die Lektion von Apple verstehen würden.

Benedikt Weibel