Kolumnen von Benedikt Weibel
Gedanken über den Brand
"Persönlich" 1. Juli 2012
Meine liebst Velostrecke führt über Trimstein nach Schlosswil. Knapp zehn Kilometer von Bern entfernt ist Trimstein die absolute ländliche Idylle. Bei der Einfahrt steht ein schmuckes Gemeindehaus, kombiniert mit der Post, wie das unverkennbare gelbe Schild schon von weitem ankündigt. Das hat mich bei der Vorbeifahrt immer wieder zu Reflexionen über den Brand der Post veranlasst. Wenn wir unter einem Brand die emotionalen Assoziationen mit einer Marke verstehen, dann war die Post Trimstein für mich das Symbol für die Post. Das gelbe Schild steht für regionale Verankerung, typisch schweizerisch und zuverlässig.
'Brand' ist ein abstrakter Begriff. Er wird nach Belieben definiert und gemessen. Zum Beispiel mit dem Brand Asset Valuator von Young and Rubicam. Mit Interviews werden Bekanntheit, Markenstärke, Image und Nutzung einer Marke erhoben und zu einem Gesamtwert aggregiert. Auch die 'Bilanz' präsentiert die wertvollsten Marken. Der Markenwert wird bis auf die Kommastelle gerechnet. Angaben über das Berechnungsmodell werden nicht gemacht. Nur dass man die Methode verändert habe, deshalb könnten die Werte nicht mit jenen früherer Jahre verglichen werden. Weil jeder selber definieren kann, was ein guter Brand ist, kommen die beiden Studien zu völlig verschiedenen Resultaten. In der 'Bilanz' erscheint Nestlé gleich dreifach: Nescafé auf dem ersten Platz, Nestlé auf fünf und Nespresso auf dreizehn. Bei Young and Rubicam hat es keine der drei Marken unter die ersten zwanzig geschafft. Dafür Rivella, Ricola und Ovomaltine, die in der 'Bilanz' fehlen. Die Post figuriert nicht im Brand Asset Valuator, hat es aber in der 'Bilanz' mit einem Markenwert von 311 Millionen Franken auf die Liste gebracht. Die Post, schreibt die 'Bilanz', sei im Volk immer noch breit verankert und habe sogar an Wertbeständigkeit zunehmen können, obwohl sie ihre Leistungen kontinuierlich abbaue. Was mich an der Methodik beider Studien zweifeln lässt, ist das Fehlen der SBB. Ich mag etwas befangen sein, aber es ist doch keine Frage, dass die SBB einer der stärksten Brands in diesem Lande sind.
Die Post hat ihre Poststellen öffentlich zum Problem erklärt. In ihrer Rechnung werden die Poststellen als Geschäftsbereich mit hohen Verlusten aufgeführt. Wenn ich in meiner Wohngemeinde die Post aufsuche, dann fällt mir auf, wie stark sie frequentiert wird. Ich freue mich über die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft des Personals und wundere mich darüber, was man in einer Post alles kaufen kann. Wenn ich dann wieder einmal an der Post von Trimstein vorbeifahre, frage ich mich, ob nicht gerade diese Präsenz im ganzen Land entscheidend zum Markenwert beiträgt. Und ob sich die Post solche Fragen auch stellt. Zum Beispiel, wenn sie ihre Gebühren massiv erhöht.
An einem der ersten schönen Frühlingstage habe ich mich aufs Velo geschwungen und meine Lieblingstour gefahren. Das gelbe Schild in Trimstein ist verschwunden.
Benedikt Weibel