Kolumnen von Benedikt Weibel

Spin Doctors Träume

"Persönlich" 1. Mai 2012

In diesem lesenswerten Magazin war unlängst ein aufschlussreiches Interview mit mehreren Corporate Communication Officers namhafter Unternehmungen zu lesen. Die Kommunikationsprofis waren sich einig. Sie hätten Inhalte im Sinne der Glaubwürdigkeit zu definieren und zu portionieren. Ihre Rolle verändere sich aber. Sie würden immer mehr zu Coaches, Moderatoren und Trainern von CEO’s. Dabei werde das CEO Positioning immer wichtiger.

Über Jahrhunderte haben Führungspersonen ihre Untergebenen wie Marionetten geführt. Nun wird der Spiess offensichtlich umgedreht. Nun werden die CEO’s zu Marionetten der CCO’s. Die Kommunikationsmenschen bestimmen, was das Management zu tun hat. Der österreichische Kultautor Wolf Haas würde das mit einem Kurzsatz qualifizieren: Unbescheidenheit Hilfsausdruck. Aus Managementsicht ist die Optik der COO’s fatal, weil der Grundsatz 'Inhalt vor Kommunikation' immer noch gilt. Wenn ein Notenbankchef sich jeglicher Devisenmarkttransaktionen enthält: kein Kommunikationsproblem. Wer seine Dissertation nicht mit Plagiaten füllt: kein Kommunikationsproblem. Wer keinen Sex mit einer Zimmerdame hat: kein Kommunikationsproblem.

Was aber ist CEO Positioning? Offenbar wollen die CCO’s die CEO’s nach ihren Vorstellungen modellieren. Als erstes wird das Wunsch-Image erstellt. Dann kommt das Styling. Dann die Schauspielschule. Dann das Auswendiglernen von Drehbüchern. Im Hintergrund immer der CCO, welcher Regie führt. Liebe Kommunikationsoffiziere: Ihr wisst selber, dass so etwas nie funktioniert. Langfristig setzt sich in der Kommunikation nur das Echte durch. Ein Unsympath wird durch gespielte Hemdsärmeligkeit nicht sympathisch. In meiner altmodischen Sicht ist immer noch der CEO der oberste Kommunikationsverantwortliche. Ihr seid Stabsleute und habt ihn in dieser Aufgabe zu unterstützen. Ebenso wenig, wie Ihr einen CEO modellieren könnt, sollt Ihr ihm in den Mund reden. Lasst ihm seine Ecken und Kanten. Wenn er oder sie keine haben, ist ohnehin etwas falsch. So wie Lee Iaccoca, der legendäre Chrysler Sanierer. Der sah sich ohne Vorwarnung mit der Schlagzeile 'Würden Sie von diesem Mann einen Gebrauchswagen kaufen?' konfrontiert. Chrysler hatte bei Testfahrten den Tachometer abgeklemmt und die Wagen mit Kilometerstand Null verkauft. Iaccoca wusste nichts davon. Er setzte sich über alle Einwände seiner Medienberater hinweg und liess eine Anzeige schalten, in der er sich entschuldigte. Auf diesen Fahrzeugen wurde die Garantie auf zwei Jahre verlängert. Den Medien sagte er 'ich habe Mist gebaut'. Letztlich haben sich dadurch sein eigenes Image und das von Chrysler verbessert. Die Lektion ist einfach: Alle Karten auf den Tisch.

Liebe Kommunikationsoffiziere: Primär seid Ihr für solides Handwerk verantwortlich. Verhindert kryptische Medienmitteilungen wie jene der Nationalbank. Sorgt dafür, dass die Coop nicht nochmals zum Gespött an der Basler Fastnacht wird.

Benedikt Weibel