Kolumnen von Benedikt Weibel
Tagungspunkt "Ausschluss B.W."
"Sonntag" 5. Juni 2008
Es gilt von einer Erfahrung zu berichten, die in diesem Lande selten ist und doch in dieser Zeit gefragt. 12 Jahre sind es her, da hat die Sektion Bulle der sozialdemokratischen Partei einen Antrag an den Schweizerischen Parteitag gesellt, mich aus der Partei auszuschliessen.
1996 war das Jahr, in welchem die SBB in einer der schwersten Krisen ihrer Geschichte steckte. Das Defizit im Vorjahr betrug fast eine halbe Milliarde Franken und der Trend zeigte ungebremst in die Tiefe. Ich sehe mich immer noch in meinem Büro sitzen, mit den Zahlen des Mittelfristplanes, in einem Zustand der Hoffnungslosigkeit. Da hatte ich die wohl verrückteste Idee in meinem beruflichen Leben. In einem Akt der Notwehr sollten die Löhne gesenkt und nachher für zwei Jahre eingefroren werden. Kaum war das Vorhaben bekannt, ging der Teufel los. Zum ersten Mal war das Tabu stetig steigender Löhne aufgebrochen worden. Auf allen Kanälen hatte ich die Massnahme zu verteidigen
In dieser aufgeladenen Atmosphäre stelle die Sektion Bulle ihren Antrag. Ich habe bis heute nicht begriffen, weshalb gerade diese Sektion, gibt es doch in Bulle weit und breit keine SBB- Strecke. Die Schweizerische Partei bot mich nach Davos an ihren Kongress auf, wo über den Antrag beraten und abgestimmt werden sollte. Schon im Bahnhof wurde ich von einem Kamerateam erwartet, welches mich den ganzen Tag begleitete. Der damalige Parteipräsident, Peter Bodenmann, leitete den Tagungspunkt "Ausschluss B.W." mit einer fulminanten Rede nach dem Muster "The Good, the Bad and the Ugly" ein. Der Gute war der damalige Präsident der Post, dem Hässlichen wurde nachher das Wort erteilt. Ich nahm bei meiner kurzen Rede kein Blatt vor den Mund. Mein Ziel, sagte ich, sei eine starke, leistungsfähige Bahn mit hoher Reputation. Die langfristige Sicherung des Service Public basiere auf Effizienz und Finanzierbarkeit. Die Reaktion der Delegierten war nicht gerade eine Standing Ovation, aber immerhin verhaltener Applaus. In der anschliessenden Debatte traten vor allem Eisenbahner auf, die mir zwar gehörig die Leviten lasen, aber anschliessend dafür plädierten, mich in der Partei zu belassen. Der Antrag wurde mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.
Einige Monate später erhielt ich ein Schreiben meiner Heimsektion. Sie teilte mir mit, dass sie festgestellt habe, dass gegen mich ein Parteiausschlussverfahren gelaufen sei. Statutarisch sei dies nicht korrekt gewesen, der Antrag hätte durch die Heimsektion gestellt werden müssen. Sie fragte mich an, ob ich bereit sei, darüber in der Sektion zu debattieren. Auch dieser Debatte habe ich mich gestellt, und auch meine Heimsektion fand es nicht opportun, Sanktionen zu ergreifen.
Die Frage der Kompetenzen Schweizerischer Parteitage oder Delegiertenversammlungen in Sachen Parteiausschluss, so lässt sich folgern, ist gestern wie heute kontrovers. Immerhin gibt es Parteien, welche den Angeklagten die Gelegenheit einräumen, ihre Position vor den Delegierten zu verteidigen.
Die Lohnmassnahmen, übrigens, wurden umgesetzt. Sie haben entscheidend dazu beigetragen, die SBB im Rahmen der Bahnreform zu sanieren.
Benedikt Weibel