Kolumnen von Benedikt Weibel
Krisenkommunikation unter dem Weihnachtsbaum
"Persönlich" 1. Februar 2012
Normalerweise ist die heilige Zeit eine ruhige Zeit. Auch in den Medien. Ganz anders um diese Jahreswende, wo grosser Spektakel geboten wurde. Bis zum 14. Dezember waren die Bundesratswahlen im Fokus. Just an diesem Tag hat die Swisscom im Zusammenhang mit Fastweb über eine Wertberichtigung von 1,2 Milliarden Franken orientiert. Am Abend des 23. Dezember publizierte die Nationalbank ein kryptisches Communiqué über haltlose Gerüchte gegen den Präsidenten des Direktoriums. Wer nach Deutschland blickt, kann seit dem 13. Dezember einen Fortsetzungsroman über das eigenartige Gebaren des Bundespräsidenten verfolgen.
Jede der drei Geschichten ist ein Beispiel für den Kommunikationsgrundsatz Nummer 1: Inhalt vor Kommunikation. Wer riesige Abschreibungen vermeidet, wer als Notenbankpräsident keine Devisengeschäfte in der Familie zulässt, wer als Ministerpräsident keine privaten Darlehen für einen Hauskauf beansprucht: sie alle müssen sich nicht rechtfertigen. Wer sich rechtfertigen muss, trägt schon die Nummer zwei. Einmal in der Defensive kann man gut oder weniger gut kommunizieren. Wer es gut macht, legt sämtliche Fakten auf den Tisch, auf einen Schlag und nicht häppchenweise. Er vermeidet Widersprüche, offene Fragen und Ausreden. Das Kernstück ist die saubere Faktenlage und zwar bis ins letzte Detail. Jede Unklarheit bietet Raum für weitere Recherchen. Ungereimtheiten und offene Fragen gab es in den Fällen der Nationalbank und des deutschen Bundespräsidenten zur Genüge. Es ist naiv, ein internes Reglement geheim zu halten. Ebenso der Versuch, die Publikation eines klärenden Telefonprotokolls unterbinden zu wollen. Offenbar ist die Botschaft von Wikileaks noch nicht überall verstanden worden. Wer sich noch Illusionen macht, soll sich WulffPlag anschauen.
Jede der drei Geschichten ist auch ein Lehrstück über die Medien. Die Rechnung der Swisscom ist aufgegangen. Die bewusste Platzierung einer Negativmeldung an einem Tag mit einem alles überragenden Thema hat sich ausbezahlt. Die Meldungen und Kommentare standen relativ weit hinten, 'Albtraum' und 'Milliardengrab' waren noch die gröbsten Qualifikationen. Obwohl die Geschichte von Fastweb in einer langen Reihe unglücklicher Auslands-Expansionen der Swisscom (früher PTT) in Tschechien, Malaysia, Indien, Österreich und Deutschland mit insgesamt mehreren Milliarden Verlust steht, war das Interesse der Medien beschränkt. Im Fall der Nationalbank hat erst der Link zur SVP und ihrem Chefstrategen zu einem eigentlichen Hype geführt. Das Beispiel aus Deutschland zeigt, wie unklug es ist, Druck auf die Medien auszuüben zu wollen. Und es illustriert das 'Gesetz des Boulevard': Wer mit dem Boulevardblatt im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihm im Aufzug nach unten.
Was bleibt ist die letzte Botschaft des abgetretenen Notenbankpräsidenten: Die Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut, für Personen und Institutionen.
Benedikt Weibel