Kolumnen von Benedikt Weibel
Das Bild von uns
"Persönlich" 1. September 2011
Jede und jeder hat eines. Der erste, der Ratschläge für die Schaffung und der Pflege eines Images publizierte, war Niccolò Macchiavelli. Er war der Ansicht, die Menschen seien alle böse und schlecht, und deshalb könne ein Fürst nicht tugendhaft handeln. Gegen aussen aber, solle der Fürst sich immer tugendhaft geben. Er müsse die Leute überzeugen, er sei die Güte, die Redlichkeit, die Treue, die Höflichkeit und Frömmigkeit selbst. Denn 'jeder sieht, was der Fürst scheint, aber niemand weiss, was er in Wirklichkeit ist.' Und letztlich beurteile man die Handlung des Fürsten allein nach dem Erfolg. Deshalb müsse man dem alles unterordnen und notfalls auch lügen und betrügen.
Jeder hat eines. Zum Beispiel Gunter Sachs, ein Playboy, seit fünfzig Jahren. Am Radio hörte ich einen seiner Weggefährten sagen, er kenne niemand, bei dem Image und Realität so unterschiedlich seien. In Wirklichkeit sei er ein sehr ernsthafter und tiefsinniger Mensch gewesen. Zum Beispielt Urs Fischer, Trainer des FCZ. An seinem ersten Auftritt als Chefcoach erschien er in Massanzug und zu eng gebundener Krawatte, wie verkleidet. Das sei das einzige Bild geblieben, das ihn zeige, wie er nicht ist. Es nehme ihm genau das, was er habe: Authentizität. Zum Beispiel Alex Frei. Sein Fall widerlegt Macchiavelli, denn Alex Frei hat ohne Zweifel Erfolg und trotzdem ein, milde gesagt, zwiespältiges Image. Er selber ist überzeugt, dass Mobbing der Medien der Grund dafür ist.
Drei Faktoren bestimmen einen Lebensweg: Sein, Schein und Schwein. Prioritär ist das Sein. Aber auch der Schein spielt eine wesentliche Rolle. Das haben wir sogar in den wilden Sechzigerjahren verstanden und uns für das Vorstellungsgespräch das Symbol des Establishments, die Krawatte, umgebunden. Es gibt drei Möglichkeiten, mit seinem Image umzugehen. Die erste geht vom Grundsatz aus 'ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich gänzlich ungeniert'. Dieter Bohlen zu Beispiel, aber das können sich nur wenige leisten. Bei der zweiten Möglichkeit kümmert man sich aktiv um ein positives Image. So war neulich in 'persönlich' zu lesen, man solle sein Online-Image aktiv steuern. Dabei muss man allerdings Sorge tragen, dass Sein und Schein nicht allzu stark auseinanderdriften. Das leuchtende Beispiel für diesen Weg ist Roger Federer. Wir nehmen ihn als einen unglaublich guten Tennisspieler wahr, als Gentleman, der perfekt mehrsprachig kommuniziert, als glücklichen Familienmensch ohne jeden Skandal. Die dritte Möglichkeit schliesslich setzt auf Verwirrung und verwischt die Konturen seines Bildes. Der Meister dieser Disziplin ist der soeben siebzig gewordene Bob Dylan. Als blutjunger Mensch wurde er in die Schublade 'Prophet' gesteckt. Diesen Erwartungen hat er sich seither mit Raffinesse entzogen. It ain’t me, singt er und sein Image entspricht seinem Film Masked and anonymous.
Wir haben alle ein Image. Und sind selber verantwortlich dafür.
Benedikt Weibel