Kolumnen von Benedikt Weibel
Nicht Luxus - Stil
"Persönlich" 1. März 2011
Einst war Luxus Synonym für Verschwendungssucht, das Gegenstück zur Kardinaltugend der Mässigung und damit ein Laster. Heute wird das Wort individuell interpretiert und steht für das, was man sich über den üblichen Bedarf hinaus leistet. Für den Obdachlosen ist ein Bett Luxus, während der russische Oligarch Abramowitsch die Regel, nach welcher eine Yacht eine Million (Euro!) pro Laufmeter kostet, ausser Kraft gesetzt hat. Seine Eclipse (163 Meter) hat neun Decks und soll gegen 800 Millionen Euro gekostet haben. Der Erbauer der Yacht beschreibt die Herausforderung: 'Es würde mich nicht wundern, wenn irgendwann mal Möbeloberflächen in Kolibiri-Zungen bestellt werden.'
Früher war die Welt noch einfacher. Luxus definierte sich beispielsweie über das Auto. Für Generationen generierte es Träume. Mit extravaganten Modellen konnte man sich von der Masse abheben. Bis es der Windkanal und die c-Werte zu einer uniformen Massenware gemacht haben. Das lässt den Auto- und Zeitgeistjournalisten Matthias Penzel zum Schluss kommen, das Auto tauge für die jüngere Generation nicht mehr zur Identifikation. Vor einigen Jahrzehnten war ein 2 CV noch der Ausdruck eines Lebensgefühls wie heute der Mac und das i-phone. Wobei das i-phone gerade illustriert, wie ein Gerät zum Mainstream verkommt und damit den Reiz des Avantgardistischen verliert. Neben dem Windkanal führt auch gutes Marketing dazu, dass aus exklusiven Produkten Massenware wird. Es sei denn, es wird in schwindelnde Höhen hochgepreist. Und so sind wir wieder bei Abramowitsch angelangt.
Hans Magnus Enzensberger ist in seinem Essay über den Luxus schon 1995 zum Schluss gekommen: 'Er (der Luxus) hat sich zu Tode gesiegt... Die Massenproduktion hat ihm zugleich seinen grössten Triumph und seinen Untergang bereitet.' Seine Restbestände bezeichnet er ziemlich direkt als 'exklusive Scheisse'. Ein Blick in den Books Ngram Viewer zeigt, dass der Begriff Luxus tatsächlich out ist. Im Gegensatz dazu der Stil. Nach Wikipedia hat jemand Stil, wenn sie oder er sich innerhalb eines geschmacklichen Kanons sicher bewegt. Der Kauf von, sagen wir mal Church’s Schuhen, ist zwar teuer, aber kein Luxus. Es ist eine Investition fürs Leben, die sich sogar rechnet. Und weil die Ware Stil hat, erfreut sie das Gemüt ein Leben lang. Wie die Eames Stühle, die wir einmal in jungen Jahren völlig unvernünftig erstanden haben und die heute noch Freude machen. Anders die Villen der Bonuspäpste, die man hie und da in den Medien abgebildet sieht, wo sich Investitionssumme und Geschmacklosigkeit direkt proportional verhalten.
In Interviews mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wird immer wieder die Frage gestellt, welchen Luxus man sich leiste. Dafür haben die PR-Berater eine Standardantwort entwickelt: Zeit haben. Diese Antwort subsumiert, dass man sich gelegentlich leistet, Zeit zu verschwenden. Damit macht man sich entweder wichtig oder man gesteht ein, dass man sein Zeitmanagement nicht im Griff hat.
Benedikt Weibel