Kolumnen von Benedikt Weibel
Die Schwierigkeit, etwas aufzugeben
"Persönlich" 1. Februar 2011
Der grosse Managementlehrer Peter Drucker empfahl als wirkungsvolle Massnahme gegen das Parkinsonsche Gesetz (Arbeit dehnt sich in genau dem Mass aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht) das systematische Aufgeben von Tätigkeiten. 'Without systematic abandonment, an organization will be overtaken by events.' Er rät, sich regelmässig die Frage zu stellen: würde ich etwas auch tun, wenn es nicht schon existierte? Lautet die Antwort nein, gibt es drei Möglichkeiten: fix it, sell it or close it. So einfach. Aber in der Realität scheint nichts schwerer zu fallen, als etwas aufzugeben. Das schiere Vorhandensein ist offenbar ein oft unüberwindbares Argument.
So gibt es in der Schweiz über 1300 Museen und ständig werden es mehr. Darunter ist kaum eines, das sich ohne substanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand über Wasser halten kann. Kürzlich hat mich im Auftrag eines Museums eine Beratungsunternehmung für Fundraising kontaktiert. Es ging ums überleben eines Museums mit jährlich 30'000 Besuchern. Ich meinte, es wäre kein Unglück, diese Institution zu schliessen. Unmöglich, zurzeit wird der Bund um Subventionen angegangen.
Wenn Sie jemanden nach der spontanen Assoziation im Zusammenhang mit dem Namen Pro Juventute fragen, dann erhalten Sie immer dieselbe Antwort: Die Briefmarke. Auch ich habe sie in meiner Jugend gesammelt und getauscht. Nur sammeln die Jungen heute keine Briefmarken mehr, und es werden immer weniger Briefe geschrieben. Was Wunder, dass die bald 100 Jahre alt werdende Institution in grosse finanzielle Turbulenzen geraten ist. Der Verkauf des Hauptsitzes brachte nur kurze Linderung, auch eine grundlegende Reorganisation führte nicht zu einer Reduktion des millionenschweren Verlustes. Auch im Spendenmarkt buhlen immer mehr Organisationen um einen nur beschränkt wachsenden Kuchen. Dabei ist das Segment 'Kinder und Jugendliche' ganz besonders umkämpft. Wie auf jeden Markt gilt auch hier: Basis des Erfolgs ist ein klares Profil, eine unverwechselbare USP. Wer sich auf der Homepage von Pro Juventute informiert, trifft auf ein Sammelsurium von Dienstleistungen. Nun versucht Pro Juventute, sich vor allem über das Beratungstelefon 147 zu profilieren. In Artikeln, die eher an Publireportagen gemahnen, werden Statistiken präsentiert und interpretiert. T würden 400 Anrufe angenommen, und man bedauert, dass sich nochmals so viele in der Warteschlaufe verlüren. Insider berichten allerdings, etwa 80 Prozent der Anrufe seien Juxtelefone. Ausserdem gibt es mit Telefon 143, der dargebotenen Hand, schon ein Angebot im gleichen Segment.
Benedikt Weibel