Kolumnen von Benedikt Weibel
Die Latte tief halten
"Persönlich" 1. März 2011
Eigentlich ist es ganz einfach. Wenn öffentlich verkündete Erwartungen übertroffen werden, gibt es Lorbeeren. Im umgekehrten Falle ist einem die Schelte sicher. Logisch daher der Schluss: Bewusstes Erwartungsmanagement heisst, die Latte tief halten. Ein Rätsel, weshalb immer wieder gegen diesen Grundsatz verstossen wird. Oft ist die Absicht durchsichtig. Eine Firma weist eine Marge von 8 Prozent auf und gibt als Ziel 12 Prozent bekannt. Das gefällt den Analysten und treibt den Kurs kurzfristig in die Höhe. Aber nur solange, bis das nächste Jahresergebnis bekannt gegeben wird: 11.5 Prozent. Chapeau, möchte man rufen. Aber nein, eine solch deutliche Verfehlung des Zieles wird bestraft.
Unser Gold Simi verkündet nicht etwa, er möchte die Vierschanzentournee gewinnen, nein, er werde sie gewinnen. Welcher Teufel hat ihn geritten? Die Schlagzeile ist denn auch deutlich: 'Der Falschaussage überführt.' Mindestens so kühn ist der Präsident der SP Schweiz in der Verkündung seiner Ziele für die Eidgenössischen Wahlen: 'Wir werden gewinnen'. Auf die Frage, ob er zurücktrete, wenn er dieses Ziel nicht erreiche, legt er noch drauf: 'Die Frage stellt sich nicht, da wir gewinnen werden'. Das gleicht schon verzweifelt einem Pfeifen im dunklen Wald. Man müsste darauf wetten können, die Quote w äusserst attraktiv. Schon heute kann man gespannt sein, wie er sich in der Elefantenrunde am Wahlabend erklären wird.
Das letzte Jahr hat erstklassischen Anschauungsunterricht in Sachen Krisenkommunikation geboten. Im Falle der Explosion der Erdölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko wurde bald deutlich, dass das Krisenmanagement auf purer Improvisation beruhte. Die Fakten wurden permanent beschönigt und es wurden immer wieder Erwartungen geschürt. Erreicht wurden sie nie. Genau das Gegenteil beim Grubenunglück in San José in Chile. 'Vor Weihnachten' war die Botschaft über die zeitliche Dimension der Rettungsaktion für die eingeschlossenen Kumpel. Das simultane Verfolgen mehrerer Rettungsstrategien vermittelte den Eindruck von Professionalität. Bereits im Oktober konnte die finale Aktion ausgelöst werden. Bei der von der ganzen Welt verfolgten erfolgreichen Bergung wurde die angekündete Zeitdauer wiederum markant unterschritten.
Man kann davon ausgehen, dass BP rund um die Uhr Heerscharen von Kommunikationsfachleuten im Einsatz hatte. Aber keiner von ihnen konnte verhindern, dass der CEO mit einem einzigen unbedachten Satz ('ich möchte mein früheres Leben zurück') die Kommunikation zum totalen Desaster machte. Unprofessionelles Krisenmanagement, permanent enttäuschte Erwartungen und Schuldzuweisungen an Unterlieferanten, das allein hätte schon genügt, um BP in die Defensive zu drängen. Aber diese sechs Worte brachen ihr letztlich das Genick. In solchen Fällen hat die alte Volksweisheit, wonach jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden muss, enorme Bedeutung. Der Kapitän, der in solchen Krisen auf der Brücke steht, muss sich dessen immer bewusst sein. Für Spontanität gibt es da sehr wenig Raum.
Benedikt Weibel