Kolumnen von Benedikt Weibel

Absatz - Marketing - Shareholdervalue - Marketing

"Persönlich" 1. November 2010

Homonyme sind Wörter, die verschiedene Bedeutungen haben. Gleich drei völlig verschiedene Inhalte hat das Wort 'Absatz'. Es gibt ihn am Schuh, im Text und in einer Unternehmung, welche Marktleistungen erbringt. An der Uni habe ich seinerzeit noch Absatzlehre gebüffelt. Als der Begriff Marketing auftauchte, spielte sich zunächst ein bekanntes Phänomen ab. Gut eingeführten Begriffen verpasste man einen neun Namen (Marketing- statt Absatzinstrumente). Darum herum etablierte sich eine einträgliche Wissenschafts- und Beratungsindustrie. Die terminologische Invasion war beeindruckend: Marketing Mix, Marketingplanung, Marketingphilosophie ... Der Bewegung darf man zugute halten, dass sie im Vergleich mit der vorher dozierten Absatzwirtschaft nicht nur mehr Sex Appeal einbrachte (Gesellschaft für Marketing anstatt Vereinigung für Absatz), sondern auch eine neue Dimension. Die führungsorientierte Definition postulierte die marktorientierte Ausrichung der ganzen Unternehmung. Man war sich einig, dass der Umsatz eine Funktion der Summe von Konsumentenentscheiden war und deshalb die gesamte Unternehmungsführung auf die Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden auszurichten sei. Programmatische Bücher hiessen zu dieser Zeit etwa 'Alles für den Kunden'.

Irgendwann wurde diese Einmütigkeit durch eine neue Philosophie unterminiert, welche die Priorität nicht mehr dem Markt, sondern den Risikokapitalgebern zuwies. Shareholdervalue wurde zur universellen Chiffre und wie jede Mode wurde sie unreflektiert nachgebetet. Ich mag mich nicht erinnern, dass marketinggetriebene Unternehmer und Manager den Finger aufgehalten und darauf hingewiesen hätten, dass 25 Prozent Eigenkapitalrendite nichts anderes als Raub am Kunden bedeutet. Nun gibt es Anzeichen, dass sich der Trend wieder kehrt. Der Chef von VW grenzt sich gegenüber GM ab, die stark über Finanzkennziffern geführt würden. Bei VW stehe demgegenüber die kundenorientierte Technik im Zentrum. Er selber fährt die Autos der ganzen Markenpalette und ist sich nicht zu schade, persönlich Fahrzeuge, die zum Verlad bereitstehen, rausholen und überprüfen zu lassen. Auf die Frage, ob sich ein Konzernchef um solche Details kümmern soll, meint er: 'er muss es.' Es tut mir zwar etwas weh, noch ein Beispiel aus der Autoindustrie zu nennen, aber auch der Chef von BMW repräsentiert ein neues Führungsverständnis. Der Habitus eines Konzerngenerals sei ihm fremd, meint die NZZ. Im Vordergrund steht traditionelle Ingenieurkultur. BMW trägt dem Bedürfnis nach umweltfreundlicheren Autos Rechnung und hat die Unternehmung erfolgreich repositioniert. Der CO2-Flottenwert wurde signifikant reduziert und der Ausstieg aus der Formel 1 geradezu zelebriert.

Bei anderen, uns näheren Branchen dauert es länger. Um Vertrauen wird nicht mit bedürfnisgerechten Produkten und perfektem Service geworben, sondern mit aufwändigen Imagekampagnen. Mit einem zweifelhaften Höhepunkt: Dem Einstieg in die Formel 1.

Benedikt Weibel