Kolumnen von Benedikt Weibel

Der Föderalismus lebt

"Sonntag" 13. April 2008

Föderalismus und direkte Demokratie prägen unser Land. Schon während meiner langen Jahre bei der SBB musste ich lernen, mich in diesem System zu bewegen. Ich begann, den Föderalismus zu schätzen. Er verhindert eine übermächtige Zentralmacht und siedelt politische Entscheide nahe bei den Betroffenen an. Problematisch wird es allerdings immer dann, wenn Betroffenheit und finanzielle Verantwortung nicht deckungsgleich sind.

Das war beispielsweise im regionalen Personenverkehr der SBB bis 1996 der Fall. Seither definieren die Kantone die zu erbringenden Leistungen und beteiligen sich zu einem wesentlichen Teil an der Abgeltung der ungedeckten Kosten. Diese vorher jahrelang von den Kantonen bekämpfte Neuregelung der Verantwortung hat zweifellos zu besseren Angeboten und höherer Effizienz geführt.

Auch die Euro 08 ist in der Schweiz ein föderalistisches Konzept, im Gegensatz zu unserem Partnerland Österreich, wo die zwischenstaatliche Ebene kaum eine Rolle spielt. Ich erinnere mich noch gut, dass mir vor Jahren ein bekannter Regierungsrat gesagt hat, ein Anlass wie eine Fussball-Europameisterschaft wäre in der Schweiz wegen der kantonalen Polizeihoheit nicht durchführbar. Er hat sich getäuscht. Die interkantonale Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich hat seither grosse Fortschritte gemacht. Ironischerweise ist dies zu einem wesentliche Teil dem Lerneffekt durch die Einsätze am WEF in Davos zu verdanken, also indirekt den Globalisierungsgegnern.

Für die Euro 08 wurde ein Sicherheitskonzept entwickelt, das es in dieser Dimension noch nie gegeben hat. Selbstverständlich basiert es auf der kantonalen Polizeihoheit. Sämtliche verfügbaren Kräfte stehen im Einsatz. Sie werden in der operativen Polizeiarbeit durch Polizisten aus Deutschland und Frankreich verstärkt. Der "rückwärtige Raum" wird durch die Armee mit 15 000 Soldaten unterstützt.

Die Erarbeitung und Umsetzung dieses Konzeptes war nur dank intensiver Zusammenarbeit aller Beteiligter, namentlich der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren und der Polizeikommandanten, möglich. Der Prozess war nicht immer einfach. In entscheidenden Momenten hat sich aber immer eine Lösung im Eidgenössischen Interesse durchgesetzt.

Ich weiss nicht, ob sich der Bundesrat im Jahre 2002, als er gegenüber der UEFA die Garantien für die Unterstützung der Euro 08 unterschrieben hat, bewusst war, welches Risiko er dabei eingegangen ist. Diesen Garantien folgte nämlich eine ganze Kaskade von Abstimmungen in kantonalen und kommunalen Parlamenten und gar einige Volksabstimmungen. Es hätte manchmal schief gehen können, oft war es knapp. Ein Berner Grossrat hat unlängst seine Beschwerde zurückgezogen, sonst würde sogar noch nach dem Final in Sachen Euro entschieden. Sollte je wieder einmal ein Anlass von dieser Grössenordnung zur Diskussion stehen, so müsste man diesem Aspekt jedenfalls früh genug Rechnung tragen.

Der Föderalismus lebt. Er führt zwar hin und wieder zu einer Zusatzschlaufe, dafür sind aber die Betroffenen aller Ebenen einbezogen. Und in heiklen Fällen kann man auf etwas zählen, was dieses Land zusammen hält: die Eidgenössische Solidarität.

Benedikt Weibel