Kolumnen von Benedikt Weibel
Murphy’s Law
"Persönlich" 1. Juli 2010
Der ehemalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat die Zukunft in drei Kategorien eingeteilt: 'the known known', Entwicklungen, die wir kennen, z.B. die Veränderung der Demografie.; 'The known unknown', Möglichkeiten, die wir kennen, z.B. ein Euro-Kurs zwischen 1.55 und 1.25 und 'the unknown unknown', auch 'Schwarzer Schwan' genannt, das Ereignis, das völlig unerwartet ist. Für alle drei Kategorien gab es in letzter Zeit Anschauungsunterricht. Die Griechenlandkrise war 'known known', der Erdölunfall im Golf von Mexiko 'known unknown' und der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull mit all seinen Auswirkungen ein klassischer Schwarzer Schwan.
Der krasseste Fall ist die Explosion der Öl-Plattform Deepwater Horizon. Obwohl 'known unknown', war offensichtlich der Fall einer Explosion einer Offshore Plattform im Risikomanagement der BP nicht vorgesehen. Deshalb konnten nach der Explosion keine vorbereiteten Gegenmassnahmen ergriffen werden. Es musste improvisiert werden, und mit jedem Tag wirkte der Konzern hilfloser. Wenn das Krisenmanagement derart versagt, kann auch mit guter Krisenkommunikation nichts mehr repariert werden. Wenn aber, wie bei BP, zum jämmerlichen Krisenmanagement noch gravierende Fehler in der Kommunikation kommen, sind die Auswirkungen desaströs. Tony Hayward, der CEO von BP, hat ohne Unterlass versichert, BP werde die Angelegenheit bald in den Griff kriegen. Die Menge des ausgetretenen Öls wurde systematisch verharmlost. Mittlerweile tritt pro Stunde so viel Öl aus, wie ursprünglich pro Tag erwartet wurde. Immer wieder wurden Hoffnungen geschürt, die dann enttäuscht wurden. Zynisch wirkte angesichts der elf Toten die Bemerkung Haywards, er wünsche sich sein früheres Leben zurück. Das Gesicht der Katastrophe sind die ölgetränkten traurigen Pelikane, die sich wohl auch ihr früheres Leben zurück wünschen. Fehlende Antizipation, deshalb völlig ungenügendes Krisenmanagement und zu guter letzt noch elementare Kommunikationsfehler haben das Vertrauen in BP fundamental erschüttert. Innert 50 Tagen hat die Firma fast die Hälfte ihres Börsenwertes verloren und wird mittlerweile als Übernahmekandidatin gehandelt.
Murphy’s Law existiert. Deshalb empfehlen die grossen Namen von Clausewitz über Taleb bis Nordström in Vorbereitung zu investieren, nicht in die Planung. Dazu braucht es Kreativität, um sich vorzustellen, was Murphy’s Law alles anrichten könnte. Darauf aufbauend sind präventive Massnahmen gefordert und Notfallpläne vorzubereiten. Auch Benchmarks sind hilfreich. Dabei hätte BP vielleicht festgestellt, dass der Sicherheitslevel der Norwegischen Offshore Plattformen wesentlich höher ist und sich die entsprechenden Fragen gestellt. Wenn dann Murphy’s Law wirklich zuschlägt, kommuniziere man Fakten und betreibe ein realistisches Erwartungsmanagement. Wer Erwartungen erfüllt oder gar übertrifft, schafft Vertrauen. Wer wiederholt Versprechen bricht, manövriert am Abgrund.
Benedikt Weibel