Kolumnen von Benedikt Weibel
Auf und ab bei SBB Cargo
"Sonntag" 16. März 2008
Der 7. März ist ein schwieriger Tag für mich. Die SBB informiert über die Massnahmen zur Sanierung von SBB Cargo. Das trifft auch mich, emotional und medial. Ich halte mich trotz vieler Medienanfragen an meinen nach dem Abgang bei der SBB gefassten Grundsatz, mich in der Öffentlichkeit nicht mehr zu Bahnthemen zu äussern. Ich bin ja auch nur beschränkt auskunftsfähig, weil ich die Entwicklung der letzten 14 Monate nicht kenne.
In meinen langen Jahren bei der SBB war der Güterverkehr immer ein Sorgenkind. Bereits 1999 wird der Bereich liberalisiert, Jahre bevor auch die EU nachzieht. SBB und BLS, beide faktisch dem Bund gehörend, werden gegeneinander in den Wettbewerb geschickt. Keine andere nationale Bahn in Europa verliert auf ihrem Heimmarkt so schnell und so viel Marktanteil wie die SBB. Diese Verluste können nur im Ausland kompensiert werden.
Es wird erwartet, dass sich nur wenige grosse Bahnen am Markt halten können. Damit stellt sich die Frage nach Allianzen. Für die SBB, primär im Nord-/Süd-Korridor tätig, bieten sich zwei Möglichkeiten an: im Norden mit der Deutschen Bahn DB oder im Süden mit der Italienischen FS. Eine Allianz mit der DB hätte angesichts der Grössenverhältnisse bedeutet, dass die SBB an Einfluss verloren hätte. Der Verwaltungsrat entscheidet sich für die Fusion mit der Italienischen Güterbahn, weil eine 50:50 Beteiligung erreicht werden konnte.
Vor dem Zusammenschluss überprüfen die beiden Bahnen den Vorbereitungsstand. Sie stellen fest, dass die Voraussetzungen für ein Zusammengehen nicht gegeben sind. Es soll nun in einer ersten Phase versucht werden, durch enge Kooperation über die Grenze die Pünktlichkeit der Züge zu verbessern. Trotz intensiver Bemühungen gelingt dies nicht. Die SBB beschliesst, in Norditalien eine eigene Tochtergesellschaft aufzubauen.
Cargo SBB ist nun im Nord-Süd Verkehr auf sich selbst gestellt. Die Pünktlichkeit der Züge verbessert sich und 2004 schliesst die Rechnung fast ausgeglichen ab, der Fehlbetrag beträgt noch 3 Millionen Franken. Wir sind überzeugt, dass wir es schaffen. Doch bald zeichnet sich ab, dass im Binnenverkehr massiv Verkehr und Geld verloren wird, eine direkte Folge der Einführung der 40 Tonnen Limite im Lastwagenverkehr. Der Bereich wird restrukturiert, die Hälfte der Bedienungspunkte wird geschlossen. Rückstellungen für die Restrukturierung und Verluste im Verkehr führen 2005 zu einem Defizit von 166 Millionen Franken.
Mir war immer bewusst, dass wir im Risiko fahren. Deshalb sondiere ich mit meinem Kollegen Hartmut Mehrdorn von der DB nach Möglichkeiten einer Allianz. Er ist offen und erklärt sich bereit, eine Achsengesellschaft mit paritätischer Beteiligung zu prüfen. Ein Gutachten kommt zum Schluss, dies würde zu einer marktbeherrschenden Stellung führen und hätte deshalb in Brüssel keine Chance. Die Übung muss abgeblasen werden.
2006, meinem letzten Jahr bei der SBB ist die Entwicklung positiv. Ich bin bei meinem Abgang guter Dinge, dass 2007 der Schritt über den Strich gelingen wird. Im April 2007 geben die SBB bei ihrer Bilanzpressekonferenz bekannt, dass der Fehlbetrag noch 37 Millionen Franken beträgt. Es gibt keinen Hinweis auf eine sich verschlechternde Situation.
Eine Frage kann nun nicht mehr verdrängt werden: Ist es überhaupt möglich, mit den gegebenen Voraussetzungen (geringe Distanzen im Schweizerischen Verkehr, geringe Grösse und Finanzkraft) dieses Geschäft mit einer ausreichenden Marge zu führen?
Benedikt Weibel