Kolumnen von Benedikt Weibel
Red und Antwort stehen vor dem Richter
"Sonntag" 25. März 2010
Die Nachricht: Auch nach der Generalversammlung der UBS mit der Verweigerung der Decharge für 2007 bleibt die Frage offen, wer denn eigentlich die Verantwortung für das gigantische Desaster trägt. Zwei Aussagen an der Generalversammlung wollten die Aussichtslosigkeit einer Klage gegen die früheren Verantwortungsträger untermauern. Die Personalvertreterin meint 'Idioten sind nicht automatisch Kriminelle' und der Verwaltungsratspräsident, diplomatischer, 'unternehmerisches Verhalten in guten Treuen ist nicht strafbar'.
Der Kommentar: Ein Kirchenmann hat mir einmal erklärt, was Verantwortung bedeutet. Seine Definition hat mir den Titel dieser Kolumne geliefert. Verantwortung, hat er ergänzt, hat nicht zwingend etwas mit Schuld zu tun. Verantwortung könne auch dann geltend gemacht werden, wenn keine persönliche Schuld vorliege. In dem Sinne heisst es in der Benediktus Regel aus dem 6. Jahrhundert: Der Abt muss wissen: Für jeden Verlust, den der Hausherr bei seinen Schafen feststellt, trifft den Hirten die Verantwortung.
Während meiner Bergführerausbildung habe ich gelernt, dass Verantwortung bedeutet, die mir anvertrauten Menschen wieder gesund vom Berg hinunter zu bringen. Wenn etwas passiert und ein Gast verletzt wird oder gar stirbt, dann läuft von Amtes wegen eine Anklage. Absicht wird mir niemand unterstellen, wenn ich aber nach Ansicht des Gerichtes grobfahrlässig gehandelt habe, werde ich verurteilt.
Im Zusammenhang mit der Verantwortung von Managern geht es immer wieder um die Frage, ob das Topmanagement gewusst hat, dass in gewissen Bereichen unsaubere Dinge gelaufen sind. Diese Frage ist irrelevant. Wenn das Management informiert war, ist der Fall ohnehin klar. Wenn es nichts gewusst hat, hat es seine Führungs- und Kontrollfunktion grobfahrlässig nicht wahrgenommen. Einem Management, welches sein Ohr nahe bei den Mitarbeitern hat, sollte systematisches Fehlverhalten nicht entgehen. Im schlimmsten Falle hat eine wirksame interne Revision dafür zu sorgen, dass die Dinge ans Licht kommen. Dass dieser interne Kontrollmechanismus funktioniert, auch dafür trägt das Management die Verantwortung.
Über die Verantwortung des Verwaltungsrates hat in den letzten Jahren unter dem Titel Corporate Governance eine fast uferlose Diskussion stattgefunden Ein Verwaltungsrat hat demnach eine primäre Verpflichtung, für ein effektives Risikomanagement zu sorgen. Die Eidgenössische Bankenkommission kommt in ihrer Untersuchung zum Subprime-Debakel zum Schluss, dass das Risikomanagement der Banken versagt habe. Die Risikoerfassung und das Risikomanagement seinen zu wenig kritisch gewesen, es hätte kein Risikomanagement auf Makrolevel gegeben und es hätte eine ungesteuerte Risikokumulation stattgefunden. Der Bonner Wirtschaftrechtsprofessor Marcus Lutter vertritt die Meinung, dass in der ganzen westlichen Welt die sogenannte 'Business Judgement Rule' gelte, wonach Vorstände und Kontrolleure keine Risiken eingehen dürfen, die ein Unternehmen in seiner Existenz gefährden. Aber genau das haben die fürstlich bezahlten Verwaltungsräte und Geschäfsleitungen getan. Die Auswirkungen sind noch heute unabsehbar. Milliarden sind in den Sand gesetzt worden. Die Finanzkrise hat eine weltweite Wirtschaftskrise ausgelöst, Millionen von Arbeitsplätzen wurden vernichtet. Die staatlichen Unterstützungsmassnahmen haben die weltweite Verschuldungsquote explodieren lassen. Was die dadurch verursachte Fiskalkrise uns noch alles an Verwerfungen bringen wird, steht in den Sternen.
Es besteht überhaupt kein Zweifel, dass im Falle der UBS die Verantwortung nicht genügend wahrgenommen wurde. Wer seine oberste Pflicht derart verletzt, handelt mindestens grobfahrlässig. Es entspricht einem elementaren Gerechtigkeitsverständnis, dass die dafür Verantwortlichen vor einem Richter Red und Antwort stehen.
Benedikt Weibel