Kolumnen von Benedikt Weibel

Hoch auf dem gelben Wagen

"Sonntag" 31. Januar 2010

Die Nachricht: Niemand hat Claude Béglé gekannt, als er Mitte 2008 vom Bundesrat zum neuen Verwaltungsratspräsidenten der Post ernannt wurde. Mit Pauken und Trompeten trat er auf die Bühne der Öffentlichkeit. Kein Jahr im Amt ist er bereits ersetzt worden.

Der Kommentar: Wie eine Sternschnuppe ist er aufgetaucht und ebenso schnell wieder verglüht. Nachdem sich der Pulverdampf über der Affäre gelichtet hat, reibt man sich die Augen und fragt sich: Warum?

Erstens: Der Mann hat Charisma, Charme, Temperament, sprudelndes Mitteilungsbedürfnis und ein Ego wie ein Pfau, der gerade sein grösstes Rad schlägt. Claude Béglé ist begeistert von Claude Béglé und tut das jederzeit öffentlich kund.

Zweitens: Er hat eine ganz eigene Vorstellung von der Rolle eines Präsidenten des Verwaltungsrates. Eigentlich wollte er PDG beim gelben Riesen werden, Président Directeur Général, Verwaltungsratspräsident und CEO in Personalunion. Da zeigte sich bereits, wie wenig er mit unserer Kultur vertraut ist. Die Vereinigung der beiden Ämter gilt hierzulande als nicht korrekt, das hat nun sogar Novartis akzeptiert. Mit der im Obligationenrecht definierten Rolle des Koordinators eines Gremiums, welches die Oberleitung einer Unternehmung ausübt, wollte er sich indessen nicht begnügen. Er baute ein mit fünf Stellen dotiertes 'Chairman’s Office' auf, beauftrage Berater und verdreifachte das Budget des Verwaltungsrates. Den CEO degradierte er damit faktisch vom Executive Officer zum Operating Officer (COO).

Zum Drama wurde die Angelegenheit durch eine Kommunikationsschlacht mit nicht immer durchschaubaren Fronten. Ganz am Anfang, noch bevor die PR-Agenturen das Ruder übernahmen, stand ein unglaubliches Interview in der Migros-Zeitung. Der Leser nahm verblüfft zur Kenntnis, dass da ein selbst deklarierter Macher und Leader antritt, der 25 Stunden im Tag arbeitet, auf der ganzen Welt gearbeitet hat und sein komplexes Netzwerk mit drei Handys am Gurt im Griff hat. Wer die Kultur unserer staatsnahen Betriebe kennt, dem schwante nach dieser Lektüre bereits Ungutes. In der Folge zeigte sich, was geschieht, wenn die PR-Agenturen (für sehr viel Geld) das Heft übernehmen. Der Herr Béglé, der am 12. Januar im Club auftrat, war ein zur Unerkenntlichkeit gezähmtes Kunstprodukt. Nicht mehr der alles in Frage stellende Erneuerer, sondern ein selbstkritischer Bewahrer des Service Public. Die Wandlung kam zu spät.

Die Auswahl des obersten Führungspersonals ist nicht nur von grösster Wichtigkeit, diese Aufgabe ist auch enorm schwierig. Was in der Theorie einfach aussieht - die Suche nach der Übereinstimmung von Aufgabenprofil mit einem Persönlichkeitsprofil - ist in der Praxis sehr anspruchsvoll. Fehlentscheide können nie ausgeschlossen werden. Zum Fall der Post gibt es eine erstaunliche Parallele mit einem anderen Drama um einen Personalentscheid beim Bund, jenem des früheren Armeechefs. Hier wie dort sind eindeutige Signale nicht erkannt oder missachtet worden. Der Fall des Armeechefs wurde von der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates in einem bemerkenswerten Bericht vom 28. November 2008 aufgearbeitet. Die Kommission hat dem Bundesrat empfohlen, 'die Verfahren zur Auswahl der höchsten Führungskräfte... zu verbessern und neben hoher Fach- und Führungsqualifikation gleichwertig die Klärung der in hohem Masse erforderlichen persönlichen und charakterlichen Eignung im Verfahren zu sichern.' Sie erwartet vom Bundesrat nicht nur Massnahmenvorschläge, sondern auch grundsätzliche Überlegungen über seine Rolle bei der Ernennung von höchsten Führungskräften. Es ist anzunehmen, dass die Antwort des Bundesrates noch aussteht. Eine exzellente Gelegenheit, die Lehren aus dem Postfall mit einzubeziehen.

Benedikt Weibel