Kolumnen von Benedikt Weibel
Von Schumi lernen
"persönlich" 3. November 2009
Sein missglückter Comback Versuch hat Michael Schumacher immerhin eine Titelstory im 'Spiegel' eingebracht. Im Interview findet sich der bemerkenswerte Satz: 'Ich habe lange gebraucht, um die Arbeitsweise der Medien zu verstehen.' Damit hat er ein generelles Problem auf den Punkt gebracht. Zwar wird heute jeder Sportler mit einigen Ambitionen einem Medientraining unterzogen und er lernt das automatische Abrufen griffiger Leerformeln. 'Wichtig ist nicht mein Tor, wichtig ist der Erfolg der Mannschaft.' Und dann staunt man immer wieder, wie selbst gestandene Cracks wie ein Didier Cuche dünnhäutig auf Medienberichte reagieren und damit demonstrieren, wie wenig sie die Welt begriffen haben, von der sie leben.
Kommunikation ist zur allumfassenden Chiffre geworden. Kein Tag ohne einige gute Case Studies über die Bedeutung von Kommunikation. Wenn etwas schief läuft, ist oft weniger die Substanz ein Thema, als die Kommunikation darüber. Zum Beispiel beim Bärengraben in Bern ('man wusste es doch schon so lange...') oder im Falle Libyen/Bundespräsident. Vor zwanzig Jahren wurde einer der grössten Umbrüche der Weltgeschichte durch eine schlecht geschriebene Medienmitteilung und einen ungenügend informierten Sprecher ausgelöst.
Schumi, das darf man ihm zugute halten, hat es wenigstens gemerkt. Wer professionell kommunizieren will, muss zuallererst wissen, wie der Medienmarkt funktioniert. Dazu muss man selber Medien konsumieren. Wer damit kokettiert, dass er Medien nicht beachte, sagt entweder nicht die Wahrheit oder ist ein Amateur. Und zweitens muss man wissen, dass der Medienmarkt ein ganz normaler Markt ist. Auch hier werden Waren gehandelt und es gilt das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Die abgesetzte Menge heisst Resonanz und ist dass Mass aller Dinge. Auch im Medienmarkt gilt das Gebot der Differenzierung und ganz besonders der Satz eines Hirnforschers: 'Alles, was keine Emotionen auslöst, ist fürs Gehirn wertlos'. Wie auf jedem anderen Markt muss primär ein ausreichender Gewinn erzielt werden, um überleben zu können. Nur ist dieser Medienmarkt gegenwärtig wohl etwas turbulenter und härter als die meisten anderen Märkte. Die Konkurrenz ist brutal und die traditionellen Geschäftsmodelle werden durch das Web radikal in Frage gestellt.
Nur wer begriffen hat, in welchem Umfeld die Medienschaffenden arbeiten, kann professionell kommunizieren. Gute Kommunikation ist zuallererst intensive, minutiöse Vorbereitung. Das lernen wir nicht bei den Sportlern, sondern ausgerechnet bei Charlotte Roche. Sie bekennt, dass sie sich tagelang auf einen Fernseh-Talk vorbereitet. 'Hinterher muss das natürlich spontan wirken, die Leute müssen denken, die Roche war bestimmt betrunken. Aber spontan ist da nichts'. (Auch aus dem 'Spiegel', so anregend ist Medienkonsum!)
Zurück zum Sport. Ein wirklich guter Boxer wird nur, wer über grosse Nehmerqualitäten verfügt. Dafür mutiert man in keinem anderen Bereich schneller vom Johnny Depp zum Johnny Cash.
Benedikt Weibel