Kolumnen von Benedikt Weibel

Glückliche Bären

"Sonntag" 25. Oktober 2009

Die Nachricht: Heute wird in der Hauptstadt der neue Bärenpark eingeweiht. Erst vor knapp zehn Tagen wurde bekannt, dass das neue Gehege für das Berner Wappentier nicht 9,7 Millionen Franken kostet, wie ursprünglich geplant, auch nicht 14,5 Millionen Franken, wie vor einem Jahr zerknirscht verkündet, sondern mindestens 18 Millionen, schlimmstenfalls gar 23,6 Millionen Franken.

Der Kommentar: Soll man Lachen oder Weinen bei der Eröffnung der neusten Attraktion in unserer Bundeshauptstadt? Sicher ist nur, dass die Bären glücklicher sind als in ihrem alten Verliess. Ob man sie im neuen Park überhaupt sehen kann, ist noch umstritten, bald wissen wir mehr. Einmal mehr zeigt sich bei diesem Projekt das fatale Muster so vieler öffentlicher Bauprojekte. Die Baukosten laufen scheinbar unkontrolliert davon und die Versprechungen, das Projekt werde grossenteils durch Sponsoren finanziert, lassen sich nicht halten. Am Schluss wird immer der Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Ob die Expo, die EURO 08 oder die NEAT, immer wieder erweist sich, dass die ursprünglichen, oft durch politische Überlegungen geprägten Kostenvoranschläge an der Realität vorbei gehen. Der Gerechtigkeit halber sei erwähnt, dass dieses Phänomen auch in der Privatwirtschaft existiert, zum Beispiel bei der neuen Generation von Flugzeugen bei Boeing oder Airbus. 'Business Pläne stimmen nie', habe ich kürzlich einen gehobenen Manager der Privatindustrie sagen gehört. Wenn das die Realität ist, muss man sich dagegen absichern. Zum Beispiel, indem man Reserven einbaut, die nur durch die oberste Hierarchie freigegeben werden können. Ein solches Vorgehen hat sich bei der EURO 08 bewährt.

Der Erfolg eines Projektes hängt primär von einer klaren Definition der Verantwortungen, der Qualität der Projektleitung und der laufenden (bei heiklen Projekten zweiwöchigen), selbstverständlich schriftlichen Berichterstattung über die Risiken und die voraussichtlichen Endkosten ab. Beim Projekt Bärenpark war diese Berichterstattung offenbar mangelhaft. Bereits im Mai gab es Hinweise auf mögliche Mehrkosten und wie man liest, seien Nachfragen in Bezug auf die Kostenentwicklung ausweichend beantwortet worden. Wer je in grossen Organisationen tätig war, weiss, dass schlechte Nachrichten gegen oben gefiltert werden. Und dass man deshalb nicht einfach in Sitzungen auf Informationen warten kann, sondern sich bei den Verantwortlichen vor Ort erkundigen muss.

Anstelle klarer und auf Personen definierten Verantwortungen werden heutzutage gewaltige Kontrollmechanismen mit eindrücklichen Organigrammen aufgebaut. Die für das Projekt Bärenpark verantwortlichen Stadtbauten Bern (Stabe) werden von einem Verwaltungsrat geführt, für den Bärenpark hat man zusätzlich einen hochkarätiger Lenkungsausschuss gebildet und innerhalb dieses Lenkungsausschuss sollte ein Bautreuhändler spezifische Aufsichtsfunktionen wahrnehmen. Dumm nur, dass damit die Kontrolle nicht verstärkt, sondern durch die Vielfalt der involvierten Stellen verwässert wird. Nicht erstaunlich daher, dass man, um die Verantwortung zu klären, eine gross angelegte Untersuchung durchführen muss, obwohl sich die involvierten Politiker bereits auf einen Sündenbock eingeschossen haben. Eben diese Politiker haben vor einigen Jahren beschlossen, die Stabe aus der Verwaltung auszugliedern. Zweck dieser Übung war die Entlastung des Budgets, weil eine ausgelagerte Organisation tiefere Abschreibungssätze anwenden kann, ein wundersamer Akt kreativer Buchführung.

Davon zeigen sich die beiden Bären Finn und Björk wenig beeindruckt. Sie freuen sich am neuen Auslauf und auf ihre russischen Gspänli Mischa und Mascha. Wir sind froh, dass uns wenigstens diese beiden Bären dank der Grosszügigkeit des russischen Staatspräsidenten gar nichts gekostet haben.

Benedikt Weibel