Kolumnen von Benedikt Weibel
Machtkampf bei der Post
"Sonntag" 24. Februar 2008
Die Nachricht: Bei der Post tobt ein Machtkampf zwischen dem Präsidenten des Verwaltungsrates und dem CEO. Der Verwaltungsrat der Post will die Strategie mitentwickeln und nicht nur Anträge gutheissen.
Der Kommentar: Wer führt eigentlich eine Unternehmung? Der Präsident des Verwaltungsrates, der Verwaltungsrat oder die Person, die heute auch in unseren Landen CEO heisst? Die Antwort auf diese banale Frage findet sich im Obligationenrecht. Der Verwaltungsrat führt die Geschäfte, sofern er die Geschäftsführung nicht übertragen hat. Seine wichtigste Aufgabe ist die 'Oberleitung der Gesellschaft'. Dieser Begriff ist allerdings unscharf und stipuliert, dass es daneben auch eine 'normale Leitung' gibt, die von einer vom Verwaltungsrat beauftragten Geschäftsleitung wahrgenommen wird. Dem Präsidenten des Verwaltungsrates kommt in diesem rechtlichen Rahmen keine spezifische Rolle zu.
In der Praxis hat sich eine Arbeitsteilung zwischen Verwaltungsrat und dem CEO durchgesetzt, bei welcher der CEO das Geschäft führt und die Gesellschaft gegen aussen vertritt. Die Angelsachsen bringen es auf den Punkt: 'The CEO runs the company, the chairman runs the board'. Zu Diskussionen führt allerdings immer wieder die Frage der Strategie. Die Genehmigung einer Strategie ist Teil der erwähnten Oberleitung. Einige Verwaltungsräte wollen indessen den Prozess der Entwicklung einer Strategie aktiv führen. Weil sie dazu aufgrund fehlender Nähe zum Geschäft und mangels Ressourcen nicht in der Lage sind, beauftragen sie Beratungsfirmen mit der Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen. Noch einen Schritt weiter geht ein Verwaltungsrat, wenn er für Unternehmungsentwicklung und Strategie eigene Ressourcen aufbaut. Bei der 'alten UBS' hiess dieses Ding 'Chairman’s Office', mittlerweile wurde es aufgelöst. Für eine Wiederauflage dieses Modells macht sich nun offenbar der Präsident des Verwaltungsrates der Post stark.
Diese Entwicklung ist fatal. Erstens wird damit unnötigerweise ein kostenintensiver administrativer Apparat aufgebläht. Zweitens wird dem operativen Management seine ureigenste Aufgabe, die Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen für den Strategieprozess, entzogen. Weshalb bezahlt man diesem Personal eigentlich so grosszügige Gehälter, wenn seine Primäraufgabe im besseren Falle durch Berater, im schlechteren durch ein Chairman’s Office erledigt wird? Wenn das Management die Grundlagen für den Strategieprozess solide aufarbeitet, steht ein Verwaltungsrat nicht vor vollendeten Entscheiden, sondern fällt Variantenentscheide. Und drittens wird damit unklar, wer eigentlich in einer Unternehmung das Sagen hat. Man erlaube für einmal einen militärischen Begriff: Damit wird die Kommandoordnung aufgeweicht, eine Todsünde im Führungsprozess einer Institution.
Das Obligationenrecht gilt vom kleinsten Unternehmen bis zur börsenkotierten Grossunternehmung. Der Preis für diese einheitliche Regelung ist der grosse Interpretationsraum. Mit dieser Frage haben sich in den letzten Jahren unter dem Titel 'Corporate Governance' Heerscharen von Juristen und andere klugen Leute auseinander gesetzt. Die gegenwärtige Diskussion zeigt, dass wir von einer einheitlichen Doktrin immer noch weit entfernt sind.
Im Deutschen und Österreichischen Recht ist die Frage nach der Verantwortung gerade umgekehrt geregelt. Die Verantwortung für die Geschäftsführung liegt beim Vorstand (unsere Geschäftsleitung). Das ihm übergeordnete Organ, der Aufsichtsrat, wählt den Vorstand und ist primär ein Kontrollorgan. Diese Regelung ist präziser und enthält weniger Spielraum als das Schweizerische Recht. Wäre es möglich, dass wir von anderen lernen könnten?
Benedikt Weibel