Kolumnen von Benedikt Weibel
Kundenverblüffung
"Persönlich" 1. September 2009
Unlängst habe ich an einem Seminar zum Thema 'Kundenverblüffung' teilgenommen. Das Kader einer grossen Firma sollte dazu motiviert werden, die Erwartungen der Kundinnen und Kunden nicht nur zu erfüllen, sondern zu übertreffen. Derart verblüffte Kunden würden die Kundenbindung erhöhen. Eine löbliche Absicht und eine geglückte Veranstaltung.
Seither bewege ich mich mit etwas mehr Sensibilität in der Konsumwelt. Und wundere mich immer wieder, wie schwer es dem Konsumenten gemacht wird. Wie oft wäre man glücklich, wenn nur schon die Erwartungen erfüllt würden. Kürzlich erstanden wir einen Gas-Grill. An einem schönen Sommerabend machte ich mich frohgemut an die Installation des Gerätes. O.k., meine Begabung als Heimwerker ist begrenzt. Ich war schon stolz auf mich, wie weit es mir gelungen war, die kryptische Montage-Anleitung umzusetzen, bis mir plötzlich substanzielle Teile fehlten. Der Überredungskunst meiner Frau ist es zu verdanken, dass der Grill im zweiten Anlauf im Verkaufsgeschäft zusammengesetzt wurde. Zur Einweihung will ich eine Pizza backen. Mit einer Einkaufsliste mit fünf Positionen begebe ich mich in den Supermarkt Der Suchaufwand für jedes einzelne dieser Produkte ist für einen einkaufstechnischen Laien gewaltig. Endlich habe ich auch die Oliven gefunden, zuunterst im Gestell und bin beeindruckt von der Breite des Sortimentes, alles Bio und für den Amateur mit dem Einkaufskorb erstaunlich teuer. Aha, gut versteckt findet sich eine Packung für 1 Franken 80. Clever, wie mit geschickter Mischkalkulation Aldi- und Lidl-kompatible Preise entstehen und wie elegant ich zum oberpreisigen Sortiment geführt werde.
Unser Sohn schenkt uns eine Brotmaschine. Die hat den grossen Vorteil, dass sie schon zusammengesetzt ist. Auch hier schlage ich mich tapfer mit der Bedienungsanleitung herum. Mit einigen Rückkoppelungen schaffe ich mein erstes Brot. Dann schreibe ich mir selber eine handliche Instruktion für das nächste Mal.
Meine Frau ist die Autofahrerin in der Familie und ich überzeugte sie, dass es nicht mehr zeitgemäss ist, einen grossen Wagen im Nahverkehr zu benutzen. Klein, wendig, Benzinverbrauch bei vier Litern: Das sind unsere Vorgaben. Sie holt bei zwei Firmen Offerten ein. Die eine schickt einen Katalog, einige Offerten mit Listenpreisen und schreibt vage, dass das verlangte Modell erst in einigen Monaten lieferbar sei. Ende. Die andere nimmt umgehend telefonisch Kontakt auf, organisiert eine Probefahrt, präsentiert anschliessend Offerten mit interessanten Rabatten und organisiert alles Administrative. Das ist nicht Kundenverblüffung, das ist ganz einfach das, was von einem Profi erwartet wird. Die anderen sind Banausen, denen es in der Krise, die das Autogewerbe offenbar grausam getroffen hat, immer noch viel zu gut geht.
Wer hat sich nicht schon mit steigender Erregung mit Call Centers in den Philippinen auseinander gesetzt? Oder sich um eine Reparatur eines High-Tech Gerätes bemüht? Oder mit einer Nummer in der Hand eine Unendlichkeit lang auf einen freien Schalter gewartet? (Untervariante Schlangen stehen, vorzugsweise in den Flughäfen) Den Award für den schlechtesten Kundendienst erhält die Softwareindustrie. 'Ihr Virenschutz läuft in 50 Tagen aus.', meldet mir mein Schutzprogramm. 'Später erinnern' löst das Problem nicht. Ich vergewissere mich beim Fachmann: Diese Software muss erneuert werden. Ich schaffe es, inklusive Zahlung, erhalte per Post eine Disk und mache ich mich ans Installieren. Es braucht viel, bis ich aufgebe, aber ich kriege es einfach nicht hin. Es kann nicht nur an mir liegen, auch der zu Hilfe gerufene Fachmann braucht unendlich viel Zeit, bis das Ding funktioniert.
'Alles für den Kunden', so hat Jan Carlzon, damals Chef der SAS, vor einigen Jahrzehnten seinen Bestseller betitelt. Liebe Konsumgüterhersteller und Dienstleister: Es ist an der Zeit!
Benedikt Weibel