Kolumnen von Benedikt Weibel
Abenteuer im Liegestuhl
"NZZ" 23. April 2009
Jetzt treffen sie wieder ein, die Kataloge der Outdoor Ausrüster. Und getreu nach St Exupéry verkaufen sie nicht Produkte, sondern Sehnsucht. "Walk on the wild side!" werde ich aufgefordert. Kein Problem mit der neusten, ausgeklügelten, von den weltbesten Aktivisten getesteten und sündhaft teuren Ausrüstung.
Weit billiger, ungefährlicher und viel bequemer ist es, Bücher über Abenteuer zu lesen. Ein wohliges Schauern ist dabei garantiert. Zur Vorbereitung Ihres nächsten Urlaubs meine Liste der besten Abenteuerbücher.
1. Caroline Alexander: Die Endurance - Shakeltons legendäre Expedition in die Antarktis.
Das grösste Abenteuer aller Zeiten. Ernest Shakelton bringt nach 625 Tagen sämtliche 27 Männer seiner Expedition wohlbehalten in die Zivilisation zurück. Nicht nur ein Abenteuerbuch, auch ein Buch über Leadership. Grossartig bebildert.
2. Heinrich Harrer: Die weisse Spinne
Mit seinem Buch von 1958 hat Harrer den Mythos der Eiger-Nordwand erst richtig geschaffen. Das Buch hat auf meinem Weg zum Bergsteiger eine zentrale Rolle gespielt. Nichts hat mich so beeindruckt, wie die Geschichte vom tragischen Tod des Toni Kurz. (2008 in "Nordwand" verfilmt.)
3. Jack London: Alaska Erzählungen
Grossartige Prosa des Fabrikarbeiters, Landstreichers, Seemanns, Goldschürfers, Kriegskorrespondenten und Alkoholikers. "Das Schrecklichste aber, das Betäubendste überhaupt, ist das weisse Schweigen, in dem nichts geschieht"
4. Christoph Ransmayr: Die Schrecken des Eises und der Finsternis
Das zweite Werk des vielfach ausgezeichneten österreichischen Schriftstellers über die österreichisch-ungarische Nordpolexpedition von 1873. "Warten. Tage. Wochen. Monate. Jahre. Bis in die Verzweiflung hinein warten...Nie zurück. Die einzige Hoffnung ist der Weg durch das Eis."
5. Jon Krakauer: In eisigen Höhen
Der beste je geschriebene Bergthriller. Ein Bericht über das Drama am Mount Everest, bei dem 1996 neun Menschen starben. Ein Buch über Obsession, Konkurrenz, Kommerz, Hilfsbereitschaft und Niedertracht. Und über Menschen, die bereit sind, für den ultimativen Kick ihr Leben zu riskieren und dafür 70 000 Dollars zu bezahlen. "Manche Leute kapieren einfach nicht, dass eine Everest-Expedition nicht so läuft wie ein Schweizer Zug."
6. Beck Weathers: Für tot erklärt
Beck Weathers war bei den von Krakauer beschriebenen Ereignissen am Mount Everest dabei. Am Südsattel, auf 8000 Metern Höhe, wurde er für tot erklärt und liegen gelassen. Er kämpfte sich ins Leben zurück. Ein Buch über die unglaubliche Kraft des Willens.
7. Hermann Buhl: Achttausend - drüber und drunter
Das Buch über den "James Dean der Kletterer" hat eine ganze Generation von Bergsteigern rund um den Globus geprägt. Im Zentrum die Saga über die erste Besteigung des Nanga Parbat im Jahre 1953, im Alleingang, mit einem Biwak in der "Todeszone" über 8000 Metern. "Nach allen Regeln der Vernunft hätte er von diesem Weg nicht mehr zurückkommen können."
8. Joe Simpson: Sturz ins Leere
Joe Simpson und Simon Yates ersteigen als Erste die Westwand der Siula Grande in den peruanischen Anden. Beim Abstieg stürzt Simpson, sein Knie wird regelrecht in den Oberschenkel geschoben. Simpson wird Länge für Länge von seinem Partner am Seil abgelassen. Am Ende einer Seillänge hängt er frei in einem Überhang. Yates bricht das Tabu und schneidet das Seil durch. Beide kämpfen sich unabhängig ins Basislager zurück. In "Touching The Void" erfolgreich verfilmt.
Schöne Ferien!
Benedikt Weibel