Kolumnen von Benedikt Weibel
Daniel Düsentrieb lebt
"Sonntag" 14. Juni 2009
1914 wurde in London das Konzept einer Magnetschwebebahn vorgestellt. Ohne Räder und Gleise, ohne Verschleiss, bis 300 Meilen pro Stunde schnell. 1934 erhielt der Deutsche Hermann Kemper das Reichspatent für das elektromagnetische Schweben von Fahrzeugen. Seit 1970 wird in Deutschland und Japan intensiv geforscht und entwickelt. Milliarden sind in die Technologie investiert worden.
2002 ist der Transrapid in Shanghai in Betrieb genommen worden, eine 30 km lange Magnetschwebebahn zwischen dem Flughafen und einem Aussenbezirk der Stadt. Sie basiert auf deutscher Technologie und wurde von der Kreditanstalt für Wiederaufbau grosszügig subventioniert. Die Auslastung beträgt weniger als 20 Prozent und der Betrieb ist hoch defizitär. Deshalb soll zwischen Peking und Shanghai eine Strecke für einen klassischen Hochgeschwindigkeitszug gebaut werden.
Als Referenzprojekt für Deutschland war die Flughafenverbindung in München geplant. Das Projekt wurde 2008 wegen schlechter Rentabilität und enormem Kapitalbedarf aufgegeben. Auch die seit Jahrzehnten geplante Verbindung Tokio - Osaka ist bis dato nur eine Absichtserklärung. Zum faktischen Exit der Magnetschwebetechnik hat ein Unglück auf der Versuchstrecke in Norddeutschland beigetragen, bei dem 23 Fahrgäste ihr Leben verloren.
Niemand aber war so kühn wie die Schweizer, obwohl sie mit der Technologie keine Erfahrung haben. Zwischen den Schweizer Zentren sollte eine unterirdische Magnetschwebebahn - die Swissmetro - gebaut werden, zur Verminderung des Luftwiderstandes in Teilvakuumröhren. Die Tatsache, dass sich die Technologie nie durchsetzen konnte, nahm man nicht zur Kenntnis. Die unerprobte Technik wollte man gleich noch mit einem unerprobten Verfahren (Teilvakuumröhren) kombinieren. Politiker liessen sich für das Vorhaben einspannen, Berichte wurden geschrieben, im Bundesrat und Parlament debattiert, bis das Projekt sanft entschlief.
Aber Daniel Düsentrieb schläft nicht. Wissenschafts- und Logistikfachleute haben wieder eine Vision geboren: "Swiss Cargo Tube", die Swissmetro für Güter. Und wieder werden Studien gemacht und es werden uferlose Debatten folgen. Obwohl das Projekt nicht den Hauch einer Realisierungschance hat.
In seinem bemerkenswerten Buch "Der Schwarze Schwan" schreibt Nassim Nicholas Taleb: "Fast alles von Bedeutung ist das Produkt eines glücklichen Zufalls." Anstatt Wolkenschlösser zu bauen, sollte man Produkte dieses Zufalls frühzeitig erkennen und ausnutzen.
Benedikt Weibel