Kolumnen von Benedikt Weibel

Nekrolog auf die Swissair

"Sonntag" 17. Mai 2009

Der gute Deutsche, Christoph Franz, wird befördert und verlässt die SWISS Airlines. Während seiner fünf Jahre als CEO hat er die SWISS brillant geführt und neu positioniert. Sein Erfolg basiert auf einer klaren Strategie. Im Verbund mit der Mutter Lufthansa ist die SWISS bestens aufgestellt.

Blenden wir zurück. Die Vorgängergesellschaft Swissair war ein nationales Heiligtum. Die Ablehnung des Beitritts zum EWR am 6. Dezember 1992 verschlechterte die Rahmenbedingungen für die Swissair. Die Strategie musste neu definiert werden. Der erste grosse Wurf war "Alcazar". Durch eine Fusion mit der holländischen KLM, der skandinavischen SAS und der österreichischen AUA sollte die kritische Grösse erreicht werden. Ein logischer Ansatz, allerdings mit einer ebenso logischen Konsequenz: Der Anteil der Swissair an der neuen Gesellschaft hätte nur noch 30% betragen. Alcazar wurde damit zum Symbol für die Preisgabe ihrer Unabhängigkeit. Dagegen protestierten zuerst der Boulevard, dann die Politiker. Alcazar starb noch in der Planungsphase.

Ein erneuerter Verwaltungsrat und ein neues Management nahmen einen zweiten Anlauf. Sie beschlossen die "Hunter"-Strategie. Mit Beteiligungen an anderen Luftfahrtsgesellschaften sollte ein überlebensfähiges Konglomerat geschaffen werden. Die neue Ausrichtung wurde konsequent, aber nicht immer im Sinne des Strategieentscheides umgesetzt. Mit dem Grounding am 2. Oktober 2001 scheiterte "Hunter" grandios.

Was hätte die damalige Swissair Führung denn entscheiden sollen, wenn sie das gewusst hätte, was wir heute wissen? Es ist offensichtlich: Eine Kooperation mit der Lufthansa. Ein solches Projekt wäre damals aus einer Position der Stärke angegangen worden. Aktionäre, Gläubiger, der Staat, sie alle hätten mit einer solchen Lösung enorme Summen sparen können.

Hätte diese Strategie eine Chance zur Verwirklichung gehabt? Auch diese Antwort ist im Nachhinein klar: Nein. Die Aufgabe der Unabhängigkeit hat schon bei Alcazar einen unüberwindbaren Abwehrreflex ausgelöst. Eine Verbindung, ausgerechnet mit einer deutschen Gesellschaft wäre damals noch heftiger abgelehnt worden.

Was kann man daraus lernen? Dass der Wille nach Unabhängigkeit in einer immer globaleren Weltwirtschaft eine Fiktion ist. Und vor allem: Es tut gar nicht weh! Wir sind immer noch stolz auf unsere SWISS, und denken gar nicht mehr daran, dass sie "nur noch" eine Tochter einer deutschen Firma ist.

Benedikt Weibel