Kolumnen von Benedikt Weibel
Metropole oder Provinz?
"Sonntag" 19. April 2009
Der Stadtpräsident der schönsten Stadt der Welt (Selbstdeklaration) ist erbost. Im Entwurf "Raumkonzept Schweiz" steht Bern nicht auf derselben Stufe wie Zürich, Basel und das Genferseebecken. Diese drei Regionen werden in dem Konzept als Metropolitanräume bezeichnet, Bern nurmehr als Hauptstadtregion. Gegen diesen Abstieg aus der obersten Liga wolle man sich vehement wehren.
Eine Metropole ist nach der gängigen Definition eine Weltstadt und hat mehr als eine Million Einwohner. Auf der Liste dieser Städte gibt es 304 Eintragungen, darunter keine einzige aus der Schweiz. Zwei städtische Räume in unserem Land haben immerhin mehr als eine Million Einwohner: Zürich mit 1.7 Millionen und Genf-Lausanne mit 1.2 Millionen. Zum Vergleich: Die grösste Agglomeration der Welt, Tokio - Yokohama, hat 37.2 Millionen Einwohner, gut fünf Mal mehr als die gesamte Schweiz. Bezeichnend ist auch der Vergleich der Passagierzahlen der Flughäfen: 100 Millionen in Tokio, 55 Millionen in Frankfurt, 22 Millionen in Zürich, 10 Millionen in Genf, 4 Millionen in Basel und 93 000 oder 255 pro Tag in Bern. Die Fakten sind also klar: In der Schweiz gibt es nur zwei städtische Räume, die ganz knapp noch einer Metropole gleichen, Zürich und Genf - Lausanne.
Es gibt unzählige Möglichkeiten, Ranglisten von Städten zu erstellen. Von besonderem Interesse sind Städte - Ranglisten, die auf objektiv messbaren Zahlen beruhen. Zum Beispiel das Top City Destination Ranking, das die Anzahl internationaler Besucher zum Massstab nimmt. Dort finden wir nach London, Bangkok und Paris Zürich auf Platz 55 und Genf auf Platz 98. Weder Basel noch Bern sind unter den 150 aufgeführten Städten zu finden, aber Innsbruck, Graz und Linz. Demnach ist entweder ist die Bezeichnung "Schönste Stadt der Welt" eine masslose Übertreibung oder diese Stadt wird gnadenlos schlecht vermarktet.
Ein beliebtes Ranking ist jenes nach der Lebensqualität. Da finden sich regelmässig Schweizer Städte an der Spitze. Auf der Liste der lebenswertesten Städte belegen Zürich und Genf die Plätzen 1 und 2, Bern den 9. Platz. Warum? Dank unseren provinziellen Strukturen sind viele Probleme der grossen Metropolen (hohe Kriminalität, Lärm, permanente Staus, hoffnungslos überfüllter öffentlicher Verkehr, Flughäfen bis an den Rand ihrer Kapazität ausgelastet) weit weniger ausgeprägt.
Sind wir doch ehrlich, im Weltmassstab sind wir Provinz, und das ist gut so.
Benedikt Weibel