Kolumnen von Benedikt Weibel
Something is happening
"Persönlich" 1. August 2019
Am Anfang stand eine monumentale unternehmerische Dummheit. Der deutsche Chemie- und Pharmakonzern Bayer übernahm Monsanto, eines der meisstgehassten Unternehmen der Welt. Nach Monaten der Demütigung und angesichts unermesslicher Schadenersatzforderungen schaltet Bayer ein Mea Culpa-Inserat. „Wir haben zugehört. Und verstanden.“ Die Botschaft ist radikal. „Mit dem heutigen Tag“ sollen höhere Massstäbe des unternehmerischen Handelns gelten. „Nachhaltigkeit und Unternehmenserfolg sind für uns zwei Seiten derselben Medaille. Wir bekennen uns ausdrücklich zu dem Ziel, langfristigen Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen und gleichzeitig unsere wirtschaftlichen Ziele zu erreichen.“ Man belässt es nicht mit Bekenntnissen. Bis 2030 will Bayer die Auswirkungen ihrer landwirtschaftlichen Produkte auf die Umwelt um 30 Prozent reduzieren.
Auch Emmanuel Faber, Chef von Danone, des siebtgrössten Lebensmittelkonzerns, spricht Klartext. „Die Ernährungsindustrie von morgen muss mit begrenzten Ressourcen vereinbar sein. Momentan sind wir davon weit entfernt.“ Bis 2025 sollen alle Verpackungsmaterialien wiederverwertbar, kompostierbar oder recycelbar sein. Er befürwortet eine möglichst schnelle Einführung der Lebensmittel-Ampel (gegen die sich Migros und Coop wehren). Dass die Unternehmen eine Verantwortung für ihre globalen Lieferketten tragen, könne niemand mehr ignorieren (was die Mehrheit unserer National- und Ständeräte noch nicht verstanden hat). Nestlé-Chef Mark Schneider bekennt sich dazu, noch zweimal in der Woche Fleisch zu essen. Das entspreche der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation. Die Lebensmittelampel führt Nestlé auch ein.
Ein Fünftel der Treibhausgase, die von der deutschen Industrie ausgestossen werden, stammt aus der Zementproduktion. Nun meint der Christian Knell, Chef von HeidelbergCement, „ein CO2-neutraler Beton ist möglich“. Der Chemie-Gigant BASF sieht seine Zukunft im Ersatz von Erdgas durch erneuerbare Energie, was den CO2-Ausstoss bis zu 90 Prozent senken würde.
Vas Narasimha, Chef von Novartis, will der Firma binnen fünf Jahren eine radikal neue Kultur verpassen. „Purpose statt Profit“ heisst das Motto. Der „Purpose“ von Novartis ist, das Leben der Menschen zu verbessern und zu verlängern. Dazu passt, dass das Salär von Narasimham im Vergleich zu seinem Vorgänger, noch weit mehr zum Vorvorgänger Vasella, geradezu bescheiden ist. Auch der Chef der Investmentgesellschaft Blackrock hat zahlreiche Unternehmen aufgefordert, in erster Linie auf ihrem „Purpose“ zu achten. Könnte es sein, dass der unselige Satz von Milton Friedman The business of business is business auf dem Schrottplatz der Geschichte gelandet ist? Und damit die Philosophie des Shareholdervalue? Auch wenn man einen gehörigen Anteil Rhetorik aus diesen Aussagen herausfiltriert besteht Hoffnung. Einige – und nicht die geringsten - haben verstanden. Es wäre der Beginn eines Wendepunktes, den die Wirtschaft dringend braucht. In ihrem eigenen Interesse.
Benedikt Weibel