Kolumnen von Benedikt Weibel
Zug oder Privatjet?
"Sonntag" 25. Januar 2009
Ich habe die Lektion früh gelernt. Glaubwürdigkeit hängt auch von Symbolen ab. Von Parlamentariern habe ich die Geschichte immer wieder gehört. Die Verkehrskommission hat an einer Sitzung in Montreux den Milliarden-Kredit für die Bahn 2000 behandelt. Zu dieser Debatte sei die frühere SBB Generaldirektion mit dem Mercedes angereist. Ein guter Grund für die neue SBB Leitung, die beiden Dienstwagen umgehend zu verkaufen. Wo immer ich als SBB Chef aufgetreten bin, wurde ich gefragt, wie ich angereist sei. Da durfte es nur eine Antwort geben: Mit dem Zug.
Ich staune immer wieder, wie unsensibel viele Manager in Bezug auf solche Symbole sind. Die CEO’s der drei grossen US-Automobilfirmen sind von Detroit nach Washington gereist, wo sie um finanzielle Unterstützung für ihre vor dem Zusammenbruch stehenden Firmen bettelten. Jeder einzeln in seinem Privatjet.
Der Chef einer Schweizer Bankengruppe, die sich als Art Robin Hood im verseuchten Bankenwesen gibt, bezieht offenbar ein Gehalt, welches kaum dem sorgsam gepflegten Image der Bescheidenheit entspricht. Er reist mit Privatjet und Helikopter und seine Villa ist so gross, dass ihr Bild durch die Medien gereicht wird.
Der mittlerweile abhanden gekommen Chef einer Grossbank lässt sich für die Frontseite einer Sonntagszeitung mit Begleiterin am Opernball in Wien fotografieren, während seine Bank im tiefsten Schlamassel steckt.
Unser Schweizer, der eine grosse Deutsche Bank leitet, hat ein besonderes Talent für fragwürdige Symbole. Ein Victory Zeichen am falschen Ort hängt ihm an wie eine Klette. Seine Aussage, dass sich seine Bank schämen würde, öffentliche Gelder in Anspruch zu nehmen, festigte seinen Ruf als Symbol der Arroganz. Letzte Woche musste er einen gewaltigen Verlust verkünden. Am gleichen Tag hielt er eine Rede und ruft 'Yes we can.' Abgesehen davon, dass dieses Symbol nicht gerade originell ist, führt der Spruch unweigerlich zu hämischen Kommentaren. 'Was kann diese Bank? Auf jeden Fall viel Geld verbrennen.'
Warum diese mangelnde Sensibilität? Wer sich nur noch in Dienstwagen, Privatjets, Executive Floors und VIP Lounges bewegt, verliert den Bezug zu realen Welt. Vielleicht ist dies mit ein Grund, weshalb die Kompetenz der Top Executives in der Schweiz von mehr als der Hälfte der ihnen unterstellten Führungskräfte kritisch beurteilt wird.
Ein Meister starker Symbole ist in dieser Woche mächtigster Mensch der Welt geworden. Zur Amtseinführung ist er mit dem Zug angereist.
Benedikt Weibel