Kolumnen von Benedikt Weibel
Gierig, arrogant und egoistisch?
"Sonntag" 3. Februar 2008
"Nur die erlebte Realität ist die wirkliche Realität." So ist es. Diese erlebte Realität ist ein Bild, das sich der Betrachter von einer Sache macht. In der Fachsprache spricht man von Image. Kürzlich wurden in einer in einer umfassender Studie die Bedingungen für den Tourismus bei 124 Ländern untersucht. An der Spitze der Rangliste: Die Schweiz vor Österreich und Deutschland. So weit, so gut.
Wenn man aber nach dem Image der Schweiz als Tourismusland forscht, dann ergibt sich ein anderes Bild. Eine Studie in Deutschland hat ergeben, dass Eigenschaften wie zuverlässig, exklusiv, ehrlich und wohlerzogen hervorragend beurteilt werden. Bei der Freundlichkeit gibt es gerade noch knapp einen positiven Punkt und bei fröhlich, leidenschaftlich und temperamentvoll sind wir markant im Minus. Wir werden als ziemlich perfekt, eher kühl, gut rechnend und manchmal berechnend und wenig emotionell wahrgenommen. Gerade dieser Tage hat es ein englischer "Imagepapst" noch drastischer ausgedrückt: "Schweizer gelten zwar als arbeitsam, intelligent und reich, aber sie gelten auch als verschlossen und werden vermehrt als gierig, arrogant und egoistisch wahrgenommen." Dieser Befund gibt Anlass zu einiger Sorge, weil Emotionen gerade im Tourismus eine grosse Rolle spielen.
Erstaunlich ist, dass die Deutschen Österreich viel eher als Tourismusland wahrnehmen als die Schweiz. In einem globalen, hart umkämpften Markt verkaufen Österreich und die Schweiz ein ähnliches Produkt: den Alpenraum. Als Bergführer kenne ich diese Bergwelt in beiden Ländern sehr gut. Es gibt doch keinen Zweifel: die Berge sind in der Schweiz viel spektakulärer: vierzig Viertausender in der Schweiz und kein einziger im bedauernswerten Österreich! Also: auf mindestens den gleichen Stand der Wahrnehmung sollten wir uns schon aufschwingen können.
In 124 Tagen haben wir die Gelegenheit, uns so zu zeigen, wie wir in Wirklichkeit sind: herzlich, fröhlich und grossartige Gastgeber. Gut 8000 Medienschaffende werden über die Euro 08 in Österreich und der Schweiz berichten. Milliarden Menschen auf der ganzen Welt werden die Spiele am Bildschirm verfolgen und damit auch etwas über unser Land erfahren. Dass es möglich ist, damit Images zu verändern, haben die Erfahrungen mit der Fussball-Weltmeisterschaft in Deutschland gezeigt. Selbst in England ist man zum Schluss gekommen, dass "die Deutschen gar keine erbärmlichen, langweiligen Leute sind."
Ich halte die "Gastgeberinitiative" für eines der wichtigsten Projekte für die Euro 08. Wir trainieren etwa 50 000 Menschen, die in irgendeiner Form mit unseren Gästen in Kontakt kommen werden, sei es an der Grenze, auf den Flughäfen, im Zug, im Restaurant, im Taxi, im Hotel. Da geht es um die Vermittlung von Wissen: wo ist das Stadion? das Internet-Cafè? die Fanmeile? und vieles anderes. Aber auch: was sind die Eigenarten unserer Gäste? Wie verhalten sich die Fans? Wir bereiten uns auch auf unangenehme Situationen vor, wenn unsere Gäste einmal über die Stränge hauen sollten.
Gäste, die sich willkommen fühlen und die mit einem Lächeln betreut werden, sind friedliche Gäste. Und wenn wir der Welt zeigen, dass wir auch Feste feiern können, so tun wir auch etwas für unser Image.
Benedikt Weibel