Kolumnen von Benedikt Weibel

Bewahren und Erneuern

"Persönlich" 1. April 2019

Im Fussball, las ich neulich, gäbe es nur zwei Trainer-Typen: Bewahrer und Erneuerer. Heynkes und Hitzfeld beispielsweise seien Bewahrer, Kopp und Guardiola Erneuerer. Beide Typen könnten kurzfristig Erfolg haben. Letztlich aber führten die Bewahrer ihre Teams in die Stagnation, während die Mannschaften der Erneuerer eine Tendenz zum Ausbrennen hätten. Deshalb suche man unentwegt nach dem Hybriden, welcher die Qualitäten beider Typen vereinigt. Meist erfolglos. Als Kandidat wird Michel Favre genannt. Im Moment sieht es allerdings nicht gut aus. Der grosse Vorsprung Dortmunds auf Bayern ist wie der Frühlingsschnee geschmolzen. Wenn Sie diese Kolumne lesen, wissen Sie mehr.

In der Wirtschaft ist es wie im Fussball. Ein ehemaliger Präsident des Verwaltungsrates der ABB hat das Problem auf den Punkt gebracht: „Chefs für den abrupten Wechsel findet man immer, auch Manager, die nichts ändern wollen. Aber Leute, die Änderungen mit Rücksicht auf die Kultur erreichen, sind rar.“

Wie wichtig Kulturen gerade in turbulenten Zeiten sind, ist heute jedermann klar. Aber den Wenigsten ist bewusst, wie fest gemauert Kulturen sind. Die Illusion, man könne mit einem zweitägigen Kulturseminar etwas bewegen, hält sich hartnäckig. Wenn man altgediente Kaderleute nach solchen Veranstaltungen nach ihrer Meinung fragt (informell natürlich, anders ist Ehrlichkeit nicht zu erwarten), dann gestehen sie, dass sie sich in den Konfirmandenunterricht zurückversetzt fühlten.

Wie im Fussball gibt es auch in der Wirtschaft Situationen, wo einzig ein neuer Kopf an der Spitze eine Kultur bewegen kann. Wie im Fussball wissen begabte neue Köpfe, wie wichtig Symbole sind. „Mit dem „Herrn Generaldirektor per Du – Wie der neue Chef der Basellandschaftlichen Kantonalbank die Firmenkultur grundlegen veränderte“, berichtete die NZZ auf einer ganzen Seite (!). Dank Einführung des firmenweiten Duzis und der Abschaffung des Krawattenzwangs eine ganze Seite NZZ: Chapeau. Obwohl sich die alte Tante grundlegend irrt, wenn sie meint, mit solcher Symbolpolitik lasse sich eine Kultur grundlegend verändern.

Es gibt kaum eine Branche, die so durchgeschüttelt wurde und immer noch wird wie die Medien. In diesem garstigen Umfeld hat Arthur Ochs Sulzberger jr. eine einzigartige Leistung erbracht. Nach seinen 25 Jahren als Verleger der New York Times stand die Times finanziell besser da und beschäftigte mehr Journalisten als zuvor. Seit 2018 trägt sein Sohn Arthur Gregg Sulzberger die Verantwortung für dieses publizistische Schlachtschiff. In einem Interview verriet er das Rezept, wie man Bewahren und Erneuern zusammenbringt:

„Das Wichtigste ist, ein tiefes Verständnis davon zu haben, was bleibt. Erst wenn Sie wissen, was sich nicht verändern wird, können Sie sich auf Veränderungen einlassen.“

Der neue Präsident des FC Basel sieht es andersrum: „Nichts wird mehr so sein wie bisher.“ Das hat er erreicht. 19 Punkte Rückstand auf den Leader hatte der FCB noch nie.

Benedikt Weibel