Kolumnen von Benedikt Weibel

Sozialingenieure

"Persönlich" 1. November 2018

Ingenieure sind Facharbeiter für komplizierte Probleme. Sie suchen nach eindeutigen, mit mathematischen Berechnungen belegbaren Resultaten. Eine Brücke bauen zum Beispiel. Die ultimativen Rahmenbedingungen für ihre Konstruktionen sind die Gesetze der Natur. Wenn eine Brücke zusammenbricht, was vorkommt, ist das die Folge einer Missachtung solcher Gesetze wie dem Alterungsprozess oder zu hoher Belastung. Mit dem Aufkommen des Process Engeneering begannen Ingenieure, optimale Organisationen zu entwickeln. Dabei übertrugen sie ihre Methodik von komplizierten Problemen auf komplexe Probleme. Komplex sind Probleme immer dann, wenn der Mensch eine Rolle spielt. Naturgesetzte und Mathematik helfen da nur bedingt weiter. Mittlerweile haben sogar die Ökonomen verstanden, dass der homo oeconomicus eine Fiktion ist. Das Handeln des Menschen ist zu einem guten Teil irrational, unberechenbar und hängt von äusseren Bedingungen ab. Ein Lehrer, der in der einen Schule ein unbestrittene Autorität ist, kann in einer anderen Schule völlig versagen. Vor alle aber: Menschen machen Fehler, immer und überall. Deshalb gibt es für komplexe Probleme nie die eine, richtige Lösung.

Die notorische Erfolglosigkeit von YB war eine Folge unglücklicher personeller Konstellationen in der Führung des Clubs. Plötzlich stimmen nun Mischung und Chemie, und YB setzt zum Höhenflug an. Der jahrelange, erdrückende Erfolg des FC Basel gründete auf einer höchst qualifizierten Führung. Seitdem die gesamte Führungsmannschaft ausgewechselt wurde, stimmt vieles nicht mehr. Der Schweizerische Fussballverband machte in diesem WM-Sommer eine eher unglückliche Figur. Er ist in sich gegangen, hat sich entschuldigt und sieht nun sein Heil in der Überprüfung der Strukturen. Nun soll sich ausgerechnet der so erfolgreiche frühere Präsident des FC Basel als Sozialingenieur betätigen, der die optimale Organisation entwickelt. Dabei ist die Sache banal. Menschen machen Fehler, daraus muss man lernen. Menschen sind ihrer Aufgabe nicht gewachsen, dann muss man sie auswechseln. Und leider kommt es vor, dass auch höchst qualifizierte Menschen zusammen im Team nicht können. Auch da muss man personelle Konsequenzen ziehen.

Die Meinung, man können Defizite im personellen Bereich mit strukturellen Änderungen beseitigen, ist naiv. Peter Drucker, der grösste Managementlehrer aller Zeiten hat es deutlich gesagt: „Es gibt keine richtige Organisation.“ Der St. Galler Management Professor Fredmund Malik ergänzt: „Alle Organisationen sind unvollkommen: alle produzieren Konflikte, Koordinationsaufwand, Informationsprobleme, zwischenmenschliche Reibungsflächen, Unklarheiten, Schnittstellen, und alle Arten von sonstigen Schwierigkeiten.“ Jack Welch, dem ehemaligen CEO von General Electric, auch als „Manager des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet, bringt es auf den Punkt: „Die Menschen sind entscheidend. Die Strategie und alles andere kommt erst an zweiter Stelle.“

Benedikt Weibel