Kolumnen von Benedikt Weibel

Eigentore

"Persönlich" 1. Juni 2018

Der CEO, der den Auftritt in roten Hosen pflegte, wollte seine Firma neu positionieren. Vögele sollte aus der grauen Ecke heraus ins glamouröse Modesegment gehoben werden. Aus den biederen Läden wurden Flagship-Stores. Die Cruz-Schwestern und Till Schweiger waren Markenbotschafter für ein jugendliches Zielpublikum. Vögele und Flagship-Store? Das passte zusammen wie der Igel und der Luftballon. Damit wurde das Ende von Vögele eingeleitet. Die 165 Läden wurden von OVS übernommen und wieder neu eingerichtet. Mit der neuen Marke sollte endlich der Einstieg in ein jüngeres Kundensegment geschafft werden. Es sieht nicht gut aus. Seit dem Markteinstieg in der Schweiz sind die Titel von OVS an der italienischen Börse um einen Viertel eingebrochen. Das ist auch die Folge einer gnadenlosen Konkurrenz. Der Modemarkt verliert Umsatz, nicht weil weniger gekauft wird, sondern weil sich die Preise im freien Fall befinden. Was früher einmal der Saisonausverkauf war, ist zum Dauerzustand geworden. Wer in irgendeiner Stadt auf der Welt die immer gleichen Modeauslagen betrachtet, stellt fest, dass dieser Einheitsbrei fast ausschliesslich um das gleiche, junge Zielpublikum kämpft.

Wenn ich Damen jeglichen Alters die Frage gestellt habe: „Was fällt Ihnen ein, wenn Sie ‚Vögele’ hören?“ erhielt ich immer dieselbe Antwort: „Langweilig, altmodisch.“ Da liegt der Kern des Problems. Welcher CEO erträgt eine solches Segment? Damit wird ihr Ego derart beleidigt, dass sie nicht mehr in der Lage sind, rational zu denken. Der rationale Gedanke ginge nämlich von der Frage aus: „Wie stark ist das Segment für langweilige und altmodische Produkte und wie entwickelt es sich in der Zukunft?“ Die Antwort liefert das Statistischen Amt. „Die Bevölkerungsgruppe der 65-jährigen und Älteren erhöht sich von 1,5 Millionen im Jahr 2015 auf 2.2 Millionen im Jahr 2030 und auf 2,7 Millionen im Jahr 2040.“ Diese Altersschicht wächst nicht nur enorm, sie ist auch kaufkräftig und immer flotter unterwegs. Ein Traummarkt.

Der Entscheid, Vögele neu zu positionieren, war nicht nur bezüglich Einschätzung der Marktentwicklung falsch. Bestehende Brands sind kaum zu korrigieren. Opel hat jahrzehntelang versucht, dem Image „Jeder Poppel fährt ein Opel“ zu entrinnen. In einem letzten verzweifelten Versuch heuerte man die Marketingspezialistin Tina Müller an (Autorin von: Warum Produkte floppen – die zehn Todsünden des Marketings). Sie kreierte für Opel die Kampagne „Umparken im Kopf“. Heute ist sie Geschäftsführerin einer Parfümerie und Opel wurde von PSA übernommen. Ob sie in einer Neuauflage ihres Buches eine 11. Todsünde aufnimmt, ist noch nicht bekannt. Auch die Manager von Raiffeisen waren mit ihrem Image der Puurebank unglücklich. Für über eine Milliarde Franken kauften sie mehr als hundert Beteiligungen. Auch Notenstein La Roche passte zur Raiffeisen Bank wie der Igel zum Luftballon. Der Ausflug in die Sphären der höheren Bankenwelt wurde rückabgewickelt. Raiffeisen ist wieder auf Feld 1.

Benedikt Weibel