Kolumnen von Benedikt Weibel

"Persönlich" 1. März 2017

Kommunikations-Desaster

Vor Jahren schon habe ich für die Prüfungsarbeiten an der Universität Bern eine Bedingung vorgegeben: Arbeiten mit einem Bullshit-Index > 0.40 sind ungenügend. Seither schreiben die Studentinnen und Studenten um zwei Klassen besser.

Als verantwortungsbewusster Stimmbürger habe das Bundesbüchlein mit den Erläuterungen über das Unternehmenssteuerreformgesetz III sehr genau gelesen und mich zunehmend geärgert. Dann habe ich einen Abschnitt in www.blablameter.de eingegeben:

„Bullshit-Index:0.68 - Sie müssen PR-Profi, Politiker, Unternehmensberater oder Universitätsprofessor sein! Sollten Sie eine echte Botschaft transportieren wollen, so erscheint es fraglich, ob diese Ihre Leser auch erreicht.“

Ungenügend! Allein dieser Wust an unverständlichen Begriffen: Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften, Statusgesellschaften, Patentbox, zinsbereinigte Gewinnsteuer, forschungsabzug ... Den folgenden Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: „Die steuerliche Entlastung darf nicht höher sein als 80 Prozent des steuerbaren Gewinns vor der Ermässigung durch die Patentbox, die Abzüge für Forschung und Entwicklung, die zinsbereinigte Gewinnsteuer und, falls der Sonderstatus vor Inkrafttreten der USR III abgelegt wurde, die Abschreibungen.“

Nun lese ich, dass die Wirtschaftsverbände der Ansicht sind, die brutale Niederlage sei auf die Komplexität der Vorlage zurückführen und deshalb nicht abzuwenden gewesen. Billiger kann man sich nicht rausreden. Die Aufgabe professionelle Kommunikation ist, selbst hoch komplexe Sachverhalte so dazustellen, dass sie von einem interessierten Laien zu verstehen sind.

Mündige Stimmbürgerinnen und Stimmbürger wollen sich eine eigene Meinung bilden. Dafür benötigen sie Fakten, Optionen und Argumente, unabhängig davon, wie komplex ein Sachverhalt auch ist.

Benedikt Weibel