Kolumnen von Benedikt Weibel

Sicherheit am Berg

"SUVA Kundenmagazin" 1. Dezember 2016

Felsklettern gilt als eine der gefährlichsten Sportarten. In meiner Jugend sicherten uns mit einem Hanfseil an Haken, die in Felsritzen geschlagen wurden. Als ich den Bergführerkurs absolvierte, war das Sicherheitsniveau kaum höher. Mit im Kurs war Werner Munter, ein genialer Tüftler. Mit der „Munter-Bremse“ war ihm der Durchbruch zur dynamischen Sicherung gelungen. Unsere Klassenlehrer, allesamt hervorragende Alpinisten, waren skeptisch. Sie schwörten auf die klassische, statische Schultersicherung. Ein Test sollte zeigen, welche Methode besser war. Als erster band sich der Bergführeraspirant Felice, Adjutant an der Gebirgskampfschule und einer der besten Kletterer im Kurs, am Standplatz fest. Er sicherte über seine Schulter, als der mit Steinen beschwerte, 80 kg schwere Autoreifen abgeworfen wurde. Die Wucht des Sturzes liess ihn an die Wand schnellen, sein Kinn war aufgeplatzt, der Standplatz sah aus wie ein Schlachthof. Nachdem ihn der Helikopter abtransportiert hatte, begab sich Werner Munter auf den blutverschmierten Standplatz. Es war totenstill, als der Reifen ein zweites Mal fiel. Dank dem kontrollierten Seildurchlauf wurde er nicht einmal in die Standsicherung gerissen. Es war das einzige Mal, dass ich im Gebirge einen tosenden Applaus erlebte.

Seither ist Klettern zum Massensport geworden. Die dynamische Sicherung ist längst Standard. Mobile Sicherungsmittel wie Klemmkeile und Friends (Klemmgeräte, die sich auf Zug selbst in offenen Rissen spreizen) und gut gesetzte Bohrhaken haben das Sicherheitsniveau enorm gesteigert. In meiner Jugend waren wir immer wieder auf einen Schutzengel angewiesen. Heute kann man auf solide Technik vertrauen. Im Jahr 2015 waren noch drei Todesfälle beim Klettern zu verzeichnen. Diese Entwicklung verdanken wir Menschen, die unablässig über die Verbesserung der Sicherheit nachgedacht habe. Beim Wandern übrigens starben letztes Jahr 64 Menschen.

Benedikt Weibel