Kolumnen von Benedikt Weibel
Malus
"Persönlich" 1. Oktober 2016
Die beiden Ökonomen Devin Pope und Maurice Schweizer analysierten 2,5 Millionen Putts von Golfprofis. Beim Par-Putt geht es darum, den Referenzpunkt zu erreichen. Wer zum Birdie einlocht, macht einen Gewinn. Der Befund war eindeutig: Die Erfolgsquote bei einem Par-Putt ist signifikant höher als bei einem Birdie-Putt. Der Malus eins Bogeys ist ein stärkerer Treiber als der Bonus eines Birdies.
In einem anderen Experiment ging es darum, beleibte Menschen zu bewegen. Das Ziel war, sie täglich zu mindestens 7000 Schritte zu motivieren. Die Probanden wurden in zwei Gruppen unterteilt. Die Teilnehmer der ersten Gruppe erhielten für jeden Tag, an dem sie das Ziel erreichten, eine Belohnung von 1 Dollar 40, maximal 42 Dollar pro Monat. In der anderen Gruppe erhielten die Teilnehmer im Voraus 42 Dollar, für jeden Tag, an dem sie das Ziel nicht erreichten, mussten sie 1 Dollar 40 zurückbezahlen. Der Befund war eindeutig: Die Erfolgsquote war bei jenen, die Geld zurückzahlen mussten, signifikant höher. Der Malus bei Nichterreichen des Ziels wirkt stärker als der Bonus, wenn das Ziel erreicht wird.
Die beiden Experimente mögen exotisch erscheinen, bestätigen aber eine fundamentale psychologische Erkenntnis, die unter anderen vom Nobelpreisträger Daniel Kahneman vertreten wird. Bei einer Mehrheit der Menschen bildet die Aversion gegen einen Verlust einen stärkeren Antrieb als die Aussicht auf Gewinn.
Die Folgerung ist eindeutig. Die heute zur Norm gewordene Bonuskultur läuft der menschlichen Natur zuwider. Sie kann deshalb ihren Zweck gar nicht erfüllen. „Bonuszahlungen treiben Mitarbeiter und Führungskräfte nur selten zu höheren Leistungen an.“ Diese Headline war kürzlich in der NZZ zu lesen. Die Begründung war allerdings eine andere. Bonussysteme würden die Leistungsbereitschaft beeinträchtigen, weil sie die Mitarbeitenden dazu verleiten, sich auf bonusrelevante Tätigkeiten zu konzentrieren. Und sie förderten das Einzelkämpfertum.
Ein Lohnsystem, das wirkungsvolle Anreize setzen will, müsste auf Boni verzichten und stattdessen Malus-Elemente einführen. Das hätte einen höchst willkommenen Nebeneffekt. Bonussystem sind oft bürokratische Monster. Ein Lohnsystem mit Malus- Elementen wäre wesentlich einfacher, transparenter und billiger. Es baut auf guten Grundlöhnen auf. Herausragende Leistungen könnten belohnt, aber nicht nach einem zum Vornherein festgelegten Schema. Eine solche Auszeichnung hat eine grössere Motivationswirkung als ein Routine-Bonus. Der Grundlohn wird um eine Prämie ergänzt. Diese Prämie wird gekürzt, wenn der Job unter den Erwartungen ausübt wird. Werden die Erwartungen wiederholt nicht erfüllt, ist der Mann oder die Frau am falschen Platz. Und schliesslich können alle Mitarbeitenden am Erfolg eines Geschäftsbereiches oder der Gesamtunternehmung beteiligt werden.
Die Bonuskönige sind die Banken. Der Erfolg ihrer sophistischen Entlohnungs-Systeme lässt sich am Aktienkurs ablesen.
Benedikt Weibel