Kolumnen von Benedikt Weibel
Der Regelkreis
"SUVA Kundenmagazin" 1. Juli 2016
Das Ziel repetitiver Vorgänge ist die Perfektion. Bei einem Bahnunternehmen ist die Perfektion dann erreicht, wenn man „auf dem Strich“ fährt, so wie es im Produktionsplan vorgesehen ist. Dann entstehen minimale Kosten und ein maximaler Kundennutzen. Nur ist dieser Zustand in einem komplexen System kaum je zu erreichen, weil der Betrieb Tag für Tag durch einige hundert sogenannte Ereignisse aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Die Methode, mit welcher man diesen instabilen Prozess steuert, heisst Regelkreis. Ein Regelkreis besteht aus den Phasen: Ziel – Messung – Abweichungsanalyse – Korrektur. Es ist ein Prozess, der nie aufhört.
Auch professionelles Sicherheitsmanagement basiert auf einem Regelkreis. Perfektion ist dann erreicht, wenn die Unfallquote auf null steht. Das Ziel bezieht nicht nur die Unfälle mit ein, sondern auch die Beinahe-Unfälle. Der Chef eines der grössten Totalunternehmens der Schweiz hat mir seine Geschichte erzählt. Die Analyse im Regelkreis hat zwei Schwachstellen auf den Baustellen ergeben. Die Unfälle und Beinahe-Unfälle passieren meist nach dem Arbeitsbeginn und ihre häufigste Ursache sind Stürze von der Leiter. Aufgrund dieser Analyse hat die Firma zwei Massnahmen durchgesetzt (und auch ihren Subunternehmungen vorgeschrieben): Erstens wird vor der Aufnahme der Arbeit ein Warm-up von fünfzehn Minuten durchgeführt. Und zweitens wurden die Leitern auf der Baustelle abgeschafft und durch Hebebühnen ersetzt. Dank dieser Massnahmen ist die Firma der Perfektion nahe gekommen. Während drei von fünf Jahren ereignete sich kein einziger Unfall. Damit wurde viel Leid erspart, die Produktivität massiv erhöht, und die SUVA-Prämien konnten erheblich reduziert werden. Die Investition in die Hebebühnen, anfänglich nicht unbestritten, war höchst rentabel. Das ist die wichtigste Botschaft: Investitionen in die Sicherheit lohnen sich. Und: Selbstverständlich hört die Arbeit am Regelkreis nie auf.
Benedikt Weibel