Kolumnen von Benedikt Weibel
Was treibt uns an?
"Sonntag" 2. November 2008
Ich habe in einer Firma gearbeitet, welche ein Bonus-System eingeführt hat. Das leitende Personal sollte zu einem wesentlichen Teil nach der Leistung und dem Erfolg der Firma entlöhnt werden. Es wurden komplexe Modelle für die Ermittlung des variablen Anteils entwickelt und eine eigentliche Lohnfindungsbürokratie in Gang gesetzt.
Wir sind zwar nicht soweit gegangen, das Konzept des "Economic Value Added", kurz EVA, anzuwenden. Es galt damals als das ultimative Bonussystem. Es ermittelt den zusätzlichen Wert einer Unternehmung mit der komplexen Formel EVA = NOPAT - WACC x NOA. An dieser Wertsteigerung sollten die Manager anteilsmässig beteiligt werden. Davon spricht heute niemand mehr. Es käme ja sonst die Beteiligung am EVD, dem "Economic Value Destroyed", zur Sprache.
Der durchschnittlich ausbezahlte Bonus hat sich stetig den 100 % der gesamten Bonussumme angenähert. Damit wurde er faktisch zu einem Gehaltbestandteil. Das ist offenbar weit herum so. Sowohl der CEO der Grossbank wie der kaufmännische Verein argumentieren, man könne die Boni nicht auf Null setzen, weil sie ein integraler Lohnbestandteil auf allen Stufen seien.
Es ist an der Zeit, die Bonus-Fiktion zu beerdigen. Zurück zum alten, seit Jahrzehnten bewährten System. Jeder Mitarbeitende erhält einen seiner Verantwortung entsprechenden guten Grundlohn. Wenn es der Unternehmung gut geht, beschliesst der Verwaltungsrat eine Prämie, welche von der Geschäftsleitung gerecht verteilt wird. Und wer seine Leistung nicht erbringt, sucht etwas anderes.
Die Arbeitspsychologen würden applaudieren. Sie unterscheiden zwischen "intrinsischer" und "extrinsischer" Motivation. Die intrinsische Motivation kommt von innen, aus Spass, aus Pflichtgefühl, aus Freude am Erfolg. Sie ist wirkungsvoller als die extrinsische, aussengesteuerte Motivation, die Geld als Anreiz einsetzt. Der Chirurg wird während der Operation nicht durch einen Bonus getrieben, sondern durch seinen Ehrgeiz, die Sache gut zu machen. Natürlich hat er dafür Anspruch auf einen guten Lohn. Schon die japanischen Samurai haben es in alten Zeiten auf den Punkt gebracht: Finde die Erfüllung in der Tat, nicht in der Belohnung.
Ich konnte immer wieder beobachten, wie Menschen in einer Krise zur Hochform auflaufen. Nach der grossen Strompanne waren anderentags die Eisenbahner in aller Frühe an ihrem Arbeitsplatz, ohne Aufgebot und nach einer kurzen Nacht. Im Dienste ihrer Kunden und der Unternehmung. Und nicht, weil es einen Bonus zu gewinnen gab.
Die Idee, Menschen mit finanziellen Anreizen zu Höchstleistungen treiben zu wollen, ist ein fataler Irrtum.
Benedikt Weibel