Kolumnen von Benedikt Weibel

Risikosport

"Wandermagazin SCHWEIZ" 27. Dezember 2016

Wandern ist der beliebteste Volkssport. Gesund, erholsam, inspirierend - und gefährlich. Letztes Jahr sind beim Wandern sind 64 Menschen tödlich verunfallt, das entspricht ziemlich genau einem Viertel der tödlich Verunfallten auf den Schweizer Strassen. Kein Zweifel: Wandern ist statistisch gesehen die gefährlichste Sportart überhaupt.

Wie kommt es, dass man sorglos zu einer Bergwanderung aufbricht, von der man nie mehr zurückkehrt? Die Outdoor-Industrie hat dafür gesorgt, dass wir perfekt gekleidet, beschuht und ausgerüstet sind. Smartphones und allerhand andere elektronische Geräte sorgen dafür, dass wir immer wissen, wo wir sind. Auslöser eines Unfalles beim Wandern sind praktisch immer Stolpern oder Rutschen. Die Risikofaktoren sind Sorglosigkeit, Ablenkung und mangelnde Sensibilität gegenüber den Gefahren der Bergwelt. Nasses Gras und Schneefelder sind überaus heimtückisch. Ein guter Bekannter ist auf dem harmlosen Gommer-Höhenweg zur Tode gestürzt ist, warum werden wir nie erfahren. Ich selber war vor Jahren unterwegs auf dem komfortablen Weg um den Göscheneralpsee, mit einem schweren Rucksack voller Kletterutensilien, als ich urplötzlich kopfunter in den seeseits gelegenen Legeföhren lag und die grösste Mühe hatte, wieder auf die Beine zu kommen. Ich hatte keine Ahnung, wie mir diese Peinlichkeit geschehen konnte, anderswo hätte sie mir das Leben kosten können.

Als ich Jahre später auf eine Kanutour in der kanadischen Wildnis aufbrach, gab uns der Bootsverleiher nur einen Ratschlag mit auf den Weg: Stay alert! Darum geht es. Es gibt zwei Kategorien von Gelände: harmlos und gefährlich. Gefährlich ist es überall dort, wo ein Sturz fatale Folgen haben kann. Dort muss in meinem Kopf der Alarm ausgelöst werden, welcher zu höchster Konzentration führt. Es ist eine Frage der Sensibilität. Und der Einstellung.

Benedikt Weibel