Kolumnen von Benedikt Weibel

Ohne Worte

"Persönlich" 3. März 2016

„Man kann nicht nicht kommunizieren“. Das berühmte Zitat von Paul Watzlavick lässt zwei Interpretationen zu. Die Interpretation des Autors: Auch Nicht-Kommunikation ist Kommunikation. Oder wie es in der Medienszene gerne ausgelegt wird: Nicht kommunizieren geht nicht.

Nicht-Kommunikation ist Kommunikation. Deshalb habe ich es in meinen Vorlesungen und Kursen zur Kommunikation auch als Kommunikations-Instrument aufgeführt. Die klassischen Fälle, in denen dieses Instrument angewandt werden muss, sind vertrauliche Verhandlungen und Trennungen von Führungskräften. Besonders heikel ist letzteres. Wir haben hier keine hire and fire – Kultur und deshalb werden solche Entscheid besonders sorgfältig reflektiert. Wenn der Entscheid gefällt ist, geht es um eine professionelle Abwicklung, die alle Beteiligten möglichst wenig beschädigt. Natürlich wird kommuniziert. Die entsprechenden Medienmitteilungen gleichen sich denn auch. Sie enthalten den Fakt und eine Floskel, wie „in gegenseitigen Einvernehmen“ oder „wegen unterschiedlicher strategischer Auffassungen“. Manchmal auch „all Beteiligten haben Stillschweigen vereinbart“. 2007 hat sich die UBS völlig überraschend von Peter Wuffli getrennt. Bis heute wurde über die Gründe nichts bekannt, und das ist gut so. Das ärgert die Medien, weil ihnen damit Stoff vorenthalten wird. Ausser wenn ein Medienunternehmen selbst eine Trennung vornimmt, dann reagiert es nämlich genau gleich.

Ich präsidiere den Stiftungsrat von Konzert Theater Bern. Anfang Jahr mussten wir uns von einer Führungskraft trennen, die erst ein halbes Jahr zuvor angestellt wurde. Vorher war das ganze Programm abgelaufen. Anhörung der involvierten Personen, Unterstützung durch Coaches, Regeln für einen Neubeginn, bis man einsehen musste, dass eine Trennung unausweichlich ist. Natürlich haben wir auch die Kommunikation intensiv diskutiert. Die Formel in der Medienmitteilung lautete „wegen inhaltlicher und strategischer Differenzen“. Darüber hinaus wurde striktes „no comment“ beschlossen. Es gab keine Überraschung. Die Medien haben entrüstet über diese Nicht-Kommunikation berichtet. Ein Medium titelte „Schweigen ist Macht“ und leitet aus dem Umstand, dass Konzert Theater Bern von der öffentlichen Hand subventioniert wird, ein Recht auf die Verbreitung von Internas ab. Im lokalen People Magazin habe ich das Zitat von Watzlawick gefunden. Allerdings gerade falsch herum interpretiert. Zur gleichen Zeit hatte Ringier ein Problem, weil der Blick einen eigenen Journalisten an den Pranger gestellt hatte. Eine Sonntagszeitung meldete „weder Blick-Sportchef Felix Bingesser noch Ringier-Sprecher Edi Estermann wollten die Geschichte auf Anfrage kommentieren.“

Der berühmteste letzte Satz eines Buches stammt aus dem Tractatus logico-philosophicus von Ludwig Wittgenstein: „Worüber man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen.“

Benedikt Weibel