Kolumnen von Benedikt Weibel
Die ultimative Frage
"Persönlich" 1. Februar 2016
Einhörner sind Start-ups, welche die Geschäftsmodelle ganzer Branchen umpflügen. Ihre Waffen sind neue Technologien, Out of the Box - Denken und Agilität. Die Digitalisierung haben sie im Blut. Sie lauern überall. Sie haben jede Menge Ideen und keine Angst vor dem Scheitern. Sie sind so ziemlich das Gegenteil der grossen Konzerne mit ihren aufgeblasenen Zentralen, endlosen Entscheidungswegen und bis ins Detail normierten Prozessen. Vor fünfzehn Jahren, während der Dotcom-Blase, war die Rede vom Gegensatz zwischen New- und Old-Economy. 'Entweder du bist eine e-Company oder überhaupt keine Company mehr', lautete damals die Devise. Es war zu kurz gedacht. Heute sind alle Unternehmen irgendwie e- Companies. Die Unterschiede liegen in der Kultur. Die einen optimieren ihre Prozesse, die anderen generieren Ideen für radikale Innovationen. 'Grosse Unternehmungen sind prozessgesteuert, ein Start-up dagegen hat ein Problem zu lösen', schreibt der 'Spiegel' und findet dazu gleich noch die passende Metapher für die Lage, in der sich die Grosskonzerne befinden: 'Unter Geiern'.
Auch Start-ups werden einmal erwachsen. Mit dem Alter beginnt sich die Trägheit, Feind aller etablierten Organisationen, einzunisten,. Deshalb hat sich Google radikal neu organisiert und die Innovationsbereiche vom laufenden Geschäft mit der Suchmaschine separiert. Auch bei Siemens wird über Firmen in der Firma nachgedacht. Für die neuste Megafusion zwischen Pfizer und Allergan werden ähnliche Organisationsmodelle diskutiert. Valeant hat die Pharmaszene mit einer neuen Strategie aufgemischt. Das Unternehmen hat systematisch Start-ups aufgekauft, weil Grosskonzerne viel zu träge seien, um noch wirkliche Innovationen lancieren zu können. Dummerweise hat Vaelant offenbar gleichzeitig seine Bilanzen manipuliert, so dass sich der Erfolg des Modells am Markt kaum mehr beweisen lässt. Es gibt noch ein weiteres Merkmal, das die Start-ups von den Etablierten unterscheidet. Die Mauchersche Weisheit 'Marketing ist Chefsache' gilt nicht mehr. Die Start-ups machen genau das, was man in der Frühzeit des Marketings den Ingenieuren vorgeworfen hat: Sie würden Lösungen entwickeln, ohne vorher die Bedürfnisse abgeklärt zu haben. Start-ups lassen sich von der Überzeugung leiten, dass die neuen technologischen Möglichkeiten diese Bedürfnisse erst schaffen.
Für die etablierten Unternehmen ist es unabdingbar geworden, den Strategieprozess neu aufzusetzen. Jack Welch hat schon im letzten Jahrhundert empfohlen, sich beim Strategie- Review die Frage zu stellen, ob man in einen Geschäftsbereich einsteigen würde, wenn man nicht schon darin wäre. Ist die Antwort nein, gibt es drei Optionen: Fix it, sell it or close it. Bei einem ja sind in der neuen Welt zwei Anschlussfragen zwingend: Wie würde ich den Geschäftsbereich organisieren, wenn ich ihn auf der grünen Wiese neu aufbauen könnte? Dann kommt die ultimative Frage: Wie sieht das Einhorn aus, das mein Geschäftsmodell zerstört?
Benedikt Weibel