Kolumnen von Benedikt Weibel
Solid langweilig
"Persönlich" 1. Oktober 2015
Ich habe einen vergnüglichen Abend im Zirkus Knie verbracht. Da hat Fredy Knie junior vier andalusische Hengste präsentiert, die seit wenigen Monaten bei ihm in der Lehre sind. Die Vorführung kommentierte er laufend und dabei bemerkte er, dass man unbedingt verhindern müsse, dass es den Pferden langweilig werde. Schon im Tierreich ist Langeweile ein Problem. Erst recht bei der Spezies Mensch. Wenn man „langweilig“ googelt, findet man zuoberst jede Menge Tipps, wie man Langeweile bekämpft. Es folgt ein Interview mit einem Psychologen, der zwei Arten von Langweile erklärt. Die banale Langeweile betreffe eine als negativ empfundene Zeitspanne, während die existenzielle Langeweile Sinnfragen aufwerfe.
Langeweile ist ein Übel. Wenn ein Produkt als langweilig empfunden wird, zehrt das am Selbstbewusstsein des verantwortlichen Managements. Der Schluss liegt nahe: langweilige Produkte werden von langweiligen Managern konzipiert. Dabei zeigt die Erfahrung, dass es gute Märkte für langweilige Produkte gibt. Man kann ja nicht behaupten, dass Toyota aufregende Autos baut. Trotzdem ist Toyota die erfolgreichste Automobilunternehmung. Hätte er nicht so viel gespendet, wäre Warren Buffett der reichste Mensch der Welt. Sein Erfolgsrezept umschreibt die NZZ: Er findet Langweiliges aufregend. Sein Konglomerat Berkshire Hathaways investiert in Firmen, die in „nahezu zeitlosen“, sprich langweiligen Branchen operieren. Zum Beispiel in eine Eisenbahngesellschaft. Oder unlängst in Precision Castparts, einen Zulieferer für die Flugzeugindustrie und die Erdölbranche. Buffett investiert nur in Geschäfte, von denen er etwas versteht. Deshalb lässt er die Finger von der digitalen Revolution. Was die Cracks aus dem Silicon Valley nicht daran hindert, bei Warren Buffett Anleihen zu machen. Die Neuorganisation von Google orientiert sich ausdrücklich an der Struktur von Berkshire Hathaways.
Richtig gefährlich wird es, wenn Manager von langweiligen Produkten aus ihrer Ecke ausbrechen wollen. Brands sind zähflüssig und konservativ. Eine Neupositionierung ist ohne riesigen Aufwand chancenlos. Selbst dann bleibt die Erfolgswahrscheinlichkeit gering. Vögele hat den Versuch immerhin nach relativ kurzer Zeit abgebrochen. Der Flurschaden war trotzdem beträchtlich. Opel führt seit Jahrzehnten einen heldenhaften Kampf gegen das Stigma als Allzwecklangweiler. Was all die Kadetten, Kapitäne, Senatoren, Admirale und Mantas nicht geschafft haben, soll nun eine Kosmetikmanagerin, unterstützt von Karl Lagerfeld, richten. Zehn Millionen Euro werden pro Monat in eine Imagekampagne gesteckt. Damit sollen Vorurteile abgebaut werden. Die Autos heissen nun Adam und Mokka. Was den „Spiegel“ nicht beeindruckt. Er berichtet darüber unter dem Titel „Jeder Poppel fährt ein Opel“.
Pecunia non olet – Geld stinkt nicht. Warren Buffett lehrt uns, wie man mit Langeweile prächtig Cash generieren kann. Und das man nicht jedem Hype nachrennen muss.
Benedikt Weibel