Kolumnen von Benedikt Weibel
Unser tägliches Brot
"Persönlich" 1. Februar 2015
Gutes Brot ist etwas Köstliches. Gut ist ein Brot, wenn es auch nach Tagen noch knusprig ist. Das beste Brot in Bern gibt es in der Bäckerei Bohnenblust im Breitenrain. An einem Samstag fahre ich oft mit dem Tram dorthin und kaufe mir ein Steinhauerbrot. Neulich war ich erst am frühen Nachmittag dort und stellte mit Schrecken fest, dass das Regal, auf dem die dunklen Vierpfünder normalerweise aufgeschichtet sind, leer war. Enttäuschung machte sich breit, bis mir die charmante Verkäuferin doch noch einen Laib brachte, weil eine Vorbestellung annulliert worden war. Zufrieden bezahlte ich zwölf Franken und machte ich mich mit dem Riesending auf den Heimweg.
Etwas später lese ich in der NZZ: „Das harte Brot der Zürcher Bäcker“. Grossbäckereien aus der Innerschweiz würden den Markt mit Massenware überschwemmen. Brot könne rund um die Uhr gekauft werden, der Kunde werde mit Backwaren fast erschlagen. Deshalb seien in den letzten fünf Jahren 21 Bäckereien geschlossen worden. Überleben könnten nur Betriebe an gut frequentierten Standorten. Dort seien die Mieten aber so hoch, dass eine Bäckerei mindestens eine Million Franken Umsatz erwirtschaften müsse, um überleben zu können. Die Bäckerei Bohnenblust lehrt mich etwas anderes. Für jeden Trend gibt es einen Gegentrend. Wenn ein Markt mit Convenience überschwemmt wird, gibt es Platz für die Nische. Für ein Produkt, das sich qualitativ von der Masse abhebt, mache ich einen Umweg und bezahle gerne einen guten Preis.
Ich bin ein treuer Konsument. Seit Jahrzehnten lasse ich mir die Haare vom gleichen Coiffeurmeister schneiden. Man hat sich gewohnt aneinander, Instruktionen über den Schnitt sind keine mehr nötig. Konversationsthema sind die Young Boys, da reichen dreissig Minuten kaum aus, um sich gegenseitig den Kummer von der Seele zu schwatzen. Ein geschenkter Gutschein vom „The Barber Shop“ in Zürich liess mich untreu werden. Ich meldete mich für eine Rasur und einen Haarschnitt an. Auch der Barber Shop liegt abseits der grossen Passantenströme. Ich trete in den Coiffeur-Salon, in dem man ohne jede Veränderung einen Film über Dällebach Kari drehen könnte. Zuerst werde ich in ein historisches Ledersofa komplimentiert, wo man mir einen Kaffee serviert. Es folgen erste Instruktionen. Kleinlaut muss ich zugeben, dass ich mich bis heute immer selber rasiert habe. Dann Rasierschaum, heisse Tücher, Rasur mit klassischem Rasiermesser, Rasierwasser, Salben, im Hintergrund dezenter Jazz und nach beendeter Prozedur ein Single Malt. Pause auf dem Sofa, neue Instruktionen, nun über den Haarschnitt, längere Beratung über die ideale Frisur, waschen, schneiden, wachsen... Ich schreite mit leichtem Hochgefühl in die kalte Winterluft, mit einem völlig aus dem Lot geratenen Terminkalender.
Merke: wer sich mit Kreativität und Unternehmergeist die Auszeichnung „vaut le détour“ verdient, macht selbst in relativ langweiligen Massenmärkten gutes Geld.
Benedikt Weibel