Kolumnen von Benedikt Weibel

Daniel Düsentriebs Bahnträume

"Weltwoche" 3. Juli 2014

Für den Ingenieur im Micky Maus Universum gibt es für jedes Problem eine technische Lösung. In meiner Jugend habe ich ihn geliebt, wie auch die Zeitschrift "Hobby", die enthusiastisch über technische Wunder berichtete. Ich erinnere mich an ein Titelbild mit einem Luftkissenfahrzeug. Es würde dereinst Strassen überflüssig machen. Wie man sieht, hat sich die Wirklichkeit anders entschieden. 1914 wurde die Magnetschwebebahn erfunden. Leise und erschütterungsfrei würde sie wie ein Flugzeug auf Erden mit einer Geschwindigkeit von 500 km/h die Transportsysteme revolutionieren. In Deutschland haben Staat und Industrie Milliarden in den Transrapid investiert. Immerhin existiert heute eine von Deutschland mitsubventionierte Magnetschwebebahn, welche den Flughafen Schanghai mit der Stadt verbindet. Nach den hier gemachten Erfahrungen ist es klar: diese Technologie setzt sich nicht durch. Die Concorde war ein Wunderwerk der Technik und das schönste aller Flugzeuge. Paris - New York dauerte im Superflieger gerade noch drei Stunden. Heute ist die Concorede noch Museumsstück. Überschall im kommerziellen Flugverkehr ist ad acta gelegt.

Nun betätigt sich Peter Bodenmann als Daniel Düsentrieb. Eine Hochgeschwindigkeits-Bahn soll die Reisezeit von Bern nach Zürich auf 28 Minuten drücken. Das ist technisch machbar. Aber warum soll man eigentlich so schnell fahren? Der Marktanteil der Bahn beträgt im Verkehr vom Zentrum Bern ins Zentrum Zürich heute schon nahezu 100 Prozent. Die absolute Reisezeit ist ökonomisch gesehen irrelevant. Entscheidend ist die relative Reisezeit: Bern - Zürich mit der Bahn 56 Minuten, gemäss Routenplaner mit dem Auto 90 Minuten. Weshalb soll hier jemand (pardon, der Staat) Milliarden investieren? Und damit horrende Folgekosten für das heute schon teuerste öffentliche Verkehrssystem der Welt produzieren. Jede Investition in die Bahninfrastruktur, die ausschliesslich der Verkürzung der Reisezeit zwischen Bern und Zürich dient, ist pure Geldverschwendung.

Es ist erstaunlich, wie viele Ideen zum Ausbau der Bahn immer wieder produziert werden. Nur erschöpft sich diese Kreativität im Erfinden von immer neuen Varianten milliardenschwerer Neubaustrecken. Echte Kreativität bräuchte es für die Beantwortung der Schlüsselfrage: wie kann ein System, dass im Schnitt nur zu gut 30 Prozent ausgelastet ist, besser genutzt werden?

Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass die Reisezeit irrelevant ist. Ich habe selber investiert. In ein schönes e-Bike. Damit habe ich meine Reisezeit vom Vorort bei Bern bis nach Zürich um 20 Minuten reduziert.

Benedikt Weibel