Kolumnen von Benedikt Weibel
Treibjagd
"Persönlich" 1. April 2014
Es gibt Institutionen, die sind von einer anderen Welt. Sie stehen für Qualität und Ethik. Sie tun Gutes, man lobt sie dafür und ist stolz auf sie. Kritik gibt es nicht. Wäre ja Majestätsbeleidigung.
Die Swissair war eine solche Institution. Imagestudien haben immer das gleiche Bild gezeigt. Gute Firmen kriegten Noten um die fünf, die Swissair lag mit Note sechs einsam an der Spitze. Doch auf einmal änderten sich die Dinge. Das Monument kriegte Risse. Die Manager im Olymp mussten sich plötzlich um so profane Dinge wie die Liquidität kümmern. Dafür waren sie offenbar nicht gemacht. Auch die im Verwaltungsrat versammelte Elite der Schweizer Wirtschaft konnte die Demontage des nationalen Symbols nicht verhindern. Das Grounding der Swissair wurde zur nationalen Schande.
Auf dem Olymp standen auch die Paraplegikerstiftung und ihr Gründer. Das Geschäftsmodell der Stiftung mit einem versicherungsähnlichen Gönnerbeitrag spült Millionen in die Kasse. Die Erfolge der Stiftung mit ihrem medizinischen Zentrum in Nottwil waren beeindruckend. Man tat so viel Gutes, dass man sich legitimiert fühlte, ohne jedes Unrechtsbewusstsein einen Teil des vielen Geldes für persönliche Bedürfnisse abzuzweigen. Der Gründer wurde wegen mehrfacher Veruntreuung verurteilt.
Die Rega fährt das gleiche Geschäftsmodell wie die Paraplegikerstiftung. Auch sie schwimmt im Geld. Wir bewundern die Helden der Lüfte, die ihr Leben riskieren, um in Bergnot geratene Menschen zu retten. Schon nur der Gedanke, die Rega zu kritisieren, wäre absurd gewesen. Aber dann passierte eine Geschichte, die alles änderte. Bei einem Unfall im Kanton Aargau wurde ein Rega-Helikopter eingesetzt, obwohl der Helikopter des TCS näher stationiert war. Ein verletzter Knabe konnte nicht mehr gerettet werden. Alle Beteiligten waren sich zwar einig, dass der Knabe auch nach einem Einsatz des TCS-Helikopters gestorben wäre. Der Kanton Aargau verlangte aber, dass in Zukunft die TCS-Helikopter in das Rettungsdispositiv der Rega aufgenommen werden. Das wurde von der Rega als Affront aufgefasst, und sie reagierte entsprechend. Dann brach ein regelrechter Shit-Storm aus. Jede Woche, nicht weniger als acht Mal, schlug die Weltwoche mit immer neuen Vorwürfen auf die Rega ein. Auch hier zeigte sich, dass Säulenheilige, wenn sie im Sturm stehen, nur noch die beleidigte Leberwurst spielen können. Und dass Weltentrücktheit den Hang zur Selbstbedienung fördert.
In Deutschland hat es den ADAC, das Pendent unseres TCS erwischt. Als sich zeigte, dass bei der Wahl des Lieblingsautos der Deutschen gemogelt worden war, brachen die Dämme. Die Qualifikation des “Spiegel“ ist gnadenlos: „Ein Herrenverein, in dem Selbstzufriedenheit und Selbstbedienung zur Tagesordnung gehören.“
Stefan Zweig hat geschrieben: „Nichts gefährdet den Menschen mehr als unablässiges Gelingen.“ Wenn dazu noch ein Heiligenschein kommt, sollte man besonders aufmerksam hinschauen.
Benedikt Weibel