Kolumnen von Benedikt Weibel

Treibjagd

"Persönlich" 1. März 2014

Die Weltwoche trieb als erstes Medium die Sau durchs Dorf. Im Visier ein zurückgetretener Solothurner Regierungsrat, hoch angesehen, Inbegriff des rechtschaffenen, bescheidenen Freisinnigen. Im Juni 2013 berichtete das Blatt, dass der Magistrat seine Honorare als Verwaltungsrat bei der Alpiq (in dem er von Amtes wegen sass), gesetzeskonform der Staatskasse abliefert hat, aber die Sitzungsgelder, auch gesetzeskonform, persönlich kassierte. So weit, so gut. Nur waren diese Sitzungsgelder exorbitant hoch. Das Thema wurde von den übrigen Medien kaum aufgegriffen.

Ein halbes Jahr später berichtete die Finanzkontrolle Baselland, dass ehemalige und amtierende Regierungsräte aufgrund ihrer Mandate 320 480 Franken kassiert haben, die sie der Staatskasse hätten abliefern müssen. Nun ist das Thema in der gesamten Medienlandschaft gesetzt. Zu Beginn dieses Jahres der Eklat: ein Baselstädter Regierungsrat tritt wegen zu viel bezogener Bezüge zurück. Er erntet Respekt für seine Konsequenz. Die Affäre wandert weiter nach Bern. Hier hat sich alles gesetzeskonform abgespielt. Die Regierungsrätinnen und Regierungsräte behalten nur die Sitzungsgelder und Spesen. Die Bernische BKW bezahlt ihren Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräten neben dem Honorar zusätzlich ein Sitzungsgeld von 2000 Franken – pro Sitzung.

Der Druck wächst. Sitzungsgelder in dieser Höhe werden als masslos bezeichnet. Eine der beiden Regierungsrätinnen, die (von Amtes wegen) im Verwaltungsrat der BKW sitzen, verliert die Nerven. An einem frühen Sonntagnachmittag verkündet sie den Medien, dass sie ab sofort auf die Sitzungsgelder verzichte. Mit ihrer Kollegin hat sie sich nicht abgesprochen. Die zieht zwei Stunden später nach. In ihrer Medienmitteilung äussert sie sich genervt über das Vorprellen ihrer Kollegin. Jetzt wird die Geschichte erst recht interessant: Zoff im Regierungsrat!

Wenn die Amtsträger und ihre Heerscharen von Medienleuten nicht so blauäugig gewesen wären, hätten sie vor einem halben Jahr die Alarmglocken läuten gehört. Sie hätten eine Auslegeordnung veranlasst. Die internen Kommunikationsprofis, mutig, wie sie sind, hätten darauf hingewiesen, dass Sitzungsgelder in dieser Grössenordnung in der Öffentlichkeit als das wahrgenommen werden, was sie sind: ein Vehikel, um die gesetzlichen Ablieferungsverpflichtungen zu umschiffen. Die Amtsträger wären zum Schluss gekommen, dass Sitzungsgelder in dieser Höhe nicht zu vermitteln sind. In weiser Voraussicht hätten sie ihren Verzicht in die laufende Sparübung eingegeben. Anstatt Häme hätten sie Lorbeer geerntet.

Die Menschen in den Kommunikationsabteilungen sind selten mutig. Manchmal gelingt ihnen nicht einmal das A und O der Kommunikationsarbeit: ihre Oganisation mit einer Stimme sprechen zu lassen. Für die Medien ist das grossartig. Konflikte bringen noch mehr Resonanz, als die Empörung über gierige Mandatsträger. Manchmal kann man sich nicht darauf verlassen, dass jeder Tag eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird.

Benedikt Weibel