Kolumnen von Benedikt Weibel

Erstaunliche Nebenwirkungen

"Sonntag" 3. August 2008

Bern hat in einer monatelangen, komplexen Operation den gesamten Bahnhofplatz umgestaltet. Für die Zeit der Umgestaltung galt ein spezielles Verkehrsregime. Die wichtige Durchgangsachse für den motorisierten Verkehr wurde geschlossen, die Durchgangslinien des öffentlichen Verkehrs unterbrochen und die Fussgänger hatten sich an ständig wechselnde Wege zu gewöhnen. Die Bernerinnen und Berner haben das klaglos über sich ergehen lassen. Es hat sich gelohnt, der neue Platz wertet die Stadt deutlich auf.

Das Erstaunliche bei dieser Übung war, dass die Sperrung einer zentralen Verkehrsachse für den motorisierten Verkehr nicht zu Staus auf anderen Strassen geführt hat, wie es allseits erwartet wurde.

An der EURO 08 galten in den vier Host Cities spezielle Verkehrsregimes. Vor allem in der Stadt Zürich waren temporäre Sperrungen notwendig, weil sich die Fanzone auf einer wichtigen Verkehrsachse befand. Erstaunlich war, dass der Berufsverkehr trotzdem während der gesamten EURO 08 flüssig abgewickelt werden konnte. Es sei sogar zu weniger Staus in der Stadt gekommen, als sonst üblich.

Am Freitag, den 13. Juni fanden in Bern und Zürich die beiden Spiele Holland - Frankreich und Italien - Rumänien statt. Wir machten uns gewisse Sorgen über die A1 zwischen den beiden Städten, die schon an normalen Freitagen gegen Abend notorisch überlastet ist. Die A1 konnte kaum je so gut befahren werden, wie an diesem Freitag dem 13.

Die SBB und die anderen öffentlichen Transportunternehmungen haben während der drei EURO - Wochen rund 4000 Extrazüge gefahren, grösstenteils pünktlich, obwohl die Anzahl der beförderten Personen riesig war. Das Erstaunliche ist, dass dies möglich war, auf einem Bahnnetz, von dem wir von den Bahnunternehmungen und den Politikern immer wieder hören, dass es bis an seine Grenze ausgelastet sei.

Diese Beispiele zeigen, dass Verkehrsspitzen nicht gottgegeben sind oder umgekehrt gesagt: Verhaltensänderungen der Verkehrsteilnehmer sind möglich und sie führen zu einer besseren Verteilung des Verkehrs. Wenn dem so ist, dann ist diese Erkenntnis buchstäblich Milliarden wert. Denn nichts ist teurer, als die Verkehrsinfrastrukturen für den Spitzenverkehr auszubauen. Im Durchschnitt sind nämlich sowohl die Züge wie die Autobahnen nur zu knapp 30 % ausgelastet.

Wenn diese Erfahrungen dazu führen würden, in Zukunft mehr in Software (zur besseren Verteilung des Verkehrs) denn in Hardware zu investieren, dann hätte die EURO 08 tatsächlich eine nachhaltige Wirkung!

Benedikt Weibel