Kolumnen von Benedikt Weibel

Nicht Philosophie, Aktion!

"persönlich" Dezember 2008

Unlängst habe ich auf einem Podium über das Thema 'Swissness' diskutiert. Im Laufe des Gesprächs stellte der Moderator die Frage, ob wir in der Schweiz unsere Werte neu definieren sollten.

Ich gestehe, dass ich mit der Diskussion um Werte, die ich auch in Unternehmungen immer wieder erlebe, Mühe habe. 'Wert' ist ein 'hochabstrakter Allgemeinbegriff mit geringem Inhalt und riesigem Umfang' steht im Internet. Armin Reins schreibt in 'Corporate Language', dass, wer sich mit abstrakten Worten ausdrückt, in Gefahr läuft, nicht verstanden zu werden. Abstrakte Worte liessen die Möglichkeit unterschiedlicher Interpretationen offen und seien deshalb der Grundstein für Konflikte. 'Die abstrakte Sprache ist die Sprache aller Politiker, Bürokraten, Diplomaten, Banker, Beamten und Versicherer.'

Wenn ich am Sonntag im hinteren Säli des Restaurants Frohsinn in einer Gewerkschaftsversammlung zu den Rangierarbeitern zu sprechen hatte, wollte ich verstanden werden. Nach einer harten Arbeitswoche im Freien hätten schon wenige abstrakte Begriffe oder gar ein englisches Wort im Managerslang das Auditorium in den Tiefschlaf geführt. Wer im beruflichen Leben an der Front steht, dem ist mit nebulösen Begriffen nicht geholfen. Moses hatte auf seinen Tafeln nicht zehn Werte, sondern zehn Gebote.

Welches Unternehmen stellt nicht die Kundenorientierung ins Zentrum ihrer Werte? Solches bleibt ohne Auswirkung, wenn es nicht in eine verständliche und praktikable Handlungsanweisung umgesetzt wird. So, wie das ein Sachversicherer tut, der ein klares Ziel formuliert: 'Wir sind die schnellsten und besten in der Schadenserledigung'. Der definiert, was das konkret heisst und zwar so, dass der Erfolg gemessen werden kann. Der diese zentrale Botschaften in seiner Werbung einleuchtend visualisiert. Der diese Werbung mit langjähriger Konstanz durchzieht. Der im Hinblick auf dieses Ziel dem allgemeinen Trend der Abschaffung der Agenturen widerstanden hat Der damit nahe am Kunden ist und der Agentur die dafür notwendigen Kompetenzen delegiert. Der die Realisierung seiner Ziele anhand von Kennziffern und mit Kundenbefragungen misst. Und damit in einem gesättigten Markt Anteile gewinnt.

Der legendäre Werber Markus Kutter hat einmal gesagt: 'Was ich von einer Fluggesellschaft erwarte, entspricht exakt dem Klischee vom Schweizer: Zuverlässigkeit, Sauberkeit, Pünktlichkeit.' Schönes Statement, gilt auch für die Bahn. Wer sich diesen Werten verschreibt, hat harte Arbeit vor sich. Er muss für jeden Bereich Ziele formulieren, die entsprechenden Kennziffern definieren, ihre Messung sicherstellen und täglich für die Realisierung dieser Ziele kämpfen.

Werte in einem Leitbild festhalten und in den Schubladen verstauben zu lassen, das ist Gesülze für die Galerie. Diese Werte in konkreten Vorgaben zu definieren und in einem bewusst gesteuerten Regelkreis umzusetzen, das ist die wirkliche Herausforderung. Es gibt kaum einen Gastrobetrieb, der sich nicht die Devise 'Der Kunde ist König' auf die Fahnen geschrieben hätte. Als Gast spüren sie sofort, welches Haus daran wirklich arbeitet und zwar mit sämtlichen Mitarbeitenden. Mein Eindruck ist, dass es immer noch eine Minderheit ist. Im Rahmen unseren Vorarbeiten für die EURO 2008 haben wir die Gastgeberinitiative lanciert. Ziel war, alle Menschen der 'Servicekette' für den Umgang mit den Gästen vorzubereiten. Dazu wurde mir von den Medien immer wieder die Frage gestellt: Haben wir denn das wirklich nötig? Das ist Ausdruck einer Selbstzufriedenheit, die alarmierend ist. Schliesslich haben wir 78 000 Menschen für den Anlass vorbereitet und sie haben ihre Arbeit mit Begeisterung und Kompetenz geleistet. Wir haben den Effekt in sechs Ländern gemessen, vorher und nachher. Die Verbesserung ist beeindruckend.

Von nichts kommt nichts. Und von nebulös formulierten Werten schon gar nichts.

Benedikt Weibel